(28) Wie halten Sie das Leid aus, Herr Kober?

Show notes

Der Pfarrer und FDP-Politiker Pascal Kober kümmert sich im Namen der Bundesregierung um die Opfer von Terror in Deutschland. Das kommt nicht von ungefähr: Kober ist Pfarrer und war jahrelang Militärseelsorger. Im Podcast Glaube.Macht.Politik spricht er darüber, wie Christen Leid ertragen können, was er von Terroropfern gelernt hat und wie es eigentlich gerade in der Ampel aussieht.

Pascal Kober ist FDP-Abgeordneter,im ersten Beruf evangelischer Pfarrer und war als Militärseelsorger in Mali. Seit 2022 ist er zudem Beauftragter der Bundesregierung für die Opfer von Terror im Inland. Als solcher war er kurz nach dem jüngsten Messerattentat in Solingen, um den Verletzten und Hinterbliebenen beizustehen.

Die Angst vor Terror, so sagt er im Gespräch, sei heute für viele Menschen näher als noch vor einigen Jahren. Dazu hätten die gehäuften Vorfälle von Messerattentaten beigetragen. Obwohl es eigentlich seine Aufgabe ist, Terroropfern zu helfen, etwa finanzielle Mittel zu beantragen oder notwendige Versorgung zu koordinieren, habe auch er selbst viel von ihnen gelernt. Viele seien dankbar, andere nutzten ihr Schicksal, um anderen zu helfen. Das bewundere er.

Aber wie geht ein gläubiger Mensch mit dem Leid um? Er vertraue darauf, dass Gott „einmal alle Tränen trocknen wird“, sagte er im Gespräch. Dennoch hoffe er darauf, irgendwann auch eine Antwort auf die Frage nach dem Warum von Gott zu erhalten.

Kober äußerte sich auch zur aktuellen Politik der Bundesregierung. Ob die Ampelkoalition weiter bestehen könne, werde sich in den kommenden Haushaltsverhandlungen zeigen. Er hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Regierung daran zerbricht.

Mit Blick auf aktuelle Debatten in der Koalition sprach Kober mit PRO auch über den Streit um eine Abschaffung des Abtreibungsverbots. Er hält es für unwahrscheinlich, dass der Paragraf 218 noch in dieser Legislaturperiode abgeschafft wird. Er selbst, aber auch die Mehrheit seiner Fraktion sowie Justizminister Frank Buschmann würden sich dagegen stellen. Zum einen weil damit ein hart ausgehandelter gesellschaftliche Konsens aufgekündigt werde. Zum anderen, weil das menschliche Leben ein derart hohes Gut sei, dass es im Strafrecht geregelt sein sollte.

PRO hat Kober bereits vor sechs Jahren zum ausführlichen Gespräch getroffen (lesen Sie hier den Text). Einige Themen daraus schneidet auch der aktuelle Podcast an. Wer etwa wissen will, warum Kober als Christ in einer liberalen Partei ist, wie er das theologisch begründet, und warum er im Gegensatz zu Margot Käßmann Pazifismus ablehnt, der findet hier Antworten.

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Show transcript

00:00:00: Ich freue mich heute im Deutschen Bundestag mit Pascal Kober zu sitzen.

00:00:08: Er ist FDP-Abgeordneter 2009 zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag eingezogen, aber

00:00:16: nicht nur das.

00:00:18: Er ist im ersten Beruf evangelischer Pfarrer und nutzte eine Pause seiner Abgeordneten

00:00:23: Tätigkeit von 2013 bis 2017 dafür, als Militärseelsorger Soldaten beizustehen, unter anderem in

00:00:31: Mali.

00:00:32: Das ist nun erst mal nichts Neues, darüber haben wir auch schon in der Vergangenheit in

00:00:36: Interviews mit ihm gesprochen.

00:00:39: Aber Pascal Kober hat seit 2022 ein neues Amt.

00:00:43: Und zwar ist er Beauftragter der Bundesregierung für die Opfer von Terror im Inland.

00:00:49: Ob sich ein Pfarrer in der Politik ganz besonders gut für eine solche Tätigkeit eignet, in

00:00:55: wiefern der Umgang mit dem Leit anderer auch das eigene Leben prägt und wie es eigentlich

00:01:01: gerade in der FDP aussieht, darüber spreche ich heute mit Pascal Kober in einer neuen

00:01:06: Ausgabe "Glauben macht Politik".

00:01:08: Herzlich willkommen, Herr Kober.

00:01:11: Vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch.

00:01:13: Am 23. August dieses Jahres tötete ein 26-jähriger syrischer Asylbewerber in Solingen drei Menschen.

00:01:22: Acht verletzte er schwer.

00:01:23: Er ist derweil in Haft und soll das Ziel gehabt haben, Ungläubige zu töten und dem IS nahestehen.

00:01:29: Sie waren anderthalb Tage nach diesem Anschlag in Solingen und haben Angehörige der Opfer

00:01:35: getroffen.

00:01:36: Was haben sie da erlebt?

00:01:37: Zunächst einmal euch die festhalten, dass die unmittelbare Situation bewältigt wurde

00:01:44: durch den Opferschutz der Polizei, aber vor allen Dingen auch durch die von den Kirchen

00:01:49: ihr getragenen Notfallseelsorge.

00:01:50: Sie haben es angesprochen, eineinhalb Tage.

00:01:52: Da sind die Menschen heutzutage glücklicherweise nicht unversorgt.

00:01:56: Da hat man schon sehr viele Fortschritte gemacht gegenüber Anschlagsgeschehen der Vergangenheit,

00:02:01: als es diese Verständnis für Opferschutz und für die Belange von Betroffenen dieser

00:02:05: Weise noch nicht gab.

00:02:06: Meine Aufgabe ist vor allen Dingen, die Unterstützung mittelangfristig und vor allen

00:02:13: Dingen auch dauerhaft sicherzustellen, dass Versprechen der Bundesrepublik an ihre Bürgerinnen

00:02:17: und Bürger ist.

00:02:18: Wenn sie einen Terroranschlag erleben müssen, wenn sie Betroffene Person sind eines Terroranschlags,

00:02:25: dann steht ihnen die Bundesrepublik Deutschland dauerhaft, das heißt ein Lebenslang, mit

00:02:30: den entsprechenden Unterstützungsangeboten bei.

00:02:33: Ich war, wie sie gesagt haben, schon am Sonntag im Laufe des Tages in Solingen.

00:02:39: Mein Amt ist gebunden an die politische Motivation des Täters.

00:02:46: Das heißt, ich bin nicht zuständig für Betroffene von allgemeinen Armorttaten oder Großschadensereignissen

00:02:54: oder allgemeinen Gewalttaten.

00:02:56: So eine Voraussetzung ist, dass der Täter ein terroristisches Motiv hatte, also ein

00:03:01: Terrorist war.

00:03:02: Das muss man ja dann auch wissen, bevor sie sich auf den Weg machen, oder?

00:03:07: Absolut.

00:03:08: Und diese Einschätzung trifft bei uns den Generalbundesanwalt in unserem Staat, der für den

00:03:15: Schutz unserer Verfassung die Verantwortung trägt.

00:03:17: Wenn das gegeben ist, ist die Voraussetzung für mich geschaffen, dass ich meinen Hilfsangebot

00:03:24: anbieten kann.

00:03:25: Und das bedeutet aber im Ablauf einer solchen Tat, dass am Freitagabend die Tat sich ereignet

00:03:34: hat, in dem Moment vor Ort sozusagen die Polizei alarmiert und damit ist auch im gleichen

00:03:41: Moment der Generalbundesanwalt informiert, dass eine entsprechende Tat mit einem womöglich

00:03:47: entsprechenden Tathintergrund sich ereignet hat und informiert dann auch wiederum umgehend

00:03:52: die Geschäftsstelle des Bundesopferbeauftragten, wie mein Amt in der Kurzbezeichnung sich

00:03:57: nennt.

00:03:58: Das war am Samstag der Fall und am Sonntag in den frühen Morgenstunden war klar für

00:04:03: mich, Generalbundesanwalt wird übernehmen und ich bin dann nach Solingen gefahren.

00:04:10: Da geht es dann zunächst einmal darum, sich ein Lagebild zu verschaffen.

00:04:13: Das Berlin kam in einer Geschäftsstelle vor Ort und das Lagebild erfährt man erst mal

00:04:21: in von der örtlichen Polizei.

00:04:23: Das heißt wir gehen in das Lagezentrum der Polizei und unser Fokus ist ja nicht die

00:04:29: Ermittlung, sondern unser Fokus ist, was ist im Moment an Bedarfen für Betroffene schon

00:04:33: bekannt und wie viele Betroffene handelt es sich.

00:04:37: Sie sprachen von den drei Getöteten und den acht Verletzten.

00:04:39: Wir haben glücklicherweise mittlerweile ein Verständnis gewonnen im Opferschutz, dass

00:04:44: auch diejenigen, die Zeugen sind an einer solchen Tat möglicherweise so traumatisiert sind, dass

00:04:49: sie Unterstützung bedürfen.

00:04:51: Ich möchte dann mal hier sagen, dass wir bei Solingen eben nicht nur von den elf Personen

00:04:59: und den Familien sprechen, sondern von einer kleinen, dreistelligen Zahl an Personen, also

00:05:04: einer großen, zweistelligen oder kleinen, dreistelligen Zahl, also um die hundert Personen,

00:05:09: die wir als Betroffene mittlerweile identifizieren konnten.

00:05:13: Und die begleiten Sie dann alle samt?

00:05:16: Also Sie haben eben von lebenslang gesprochen, der Staat hat eine lebenslange Verantwortung.

00:05:21: Also Sie sind dann an deren Seite helfen denen bei finanziellen Möglichkeiten, die Sie vielleicht

00:05:27: ausschöpfen können als Opfer von so einer Terrortat oder wie genau muss ich mir das vorstellen?

00:05:33: Ja, wir haben einen sehr ausgeprägten Sozialstaat in unserem Land.

00:05:38: Sie haben es angesprochen, spezielle finanzielle Leistungen für Opfer von Terrorismus, sogenannten

00:05:44: Härteleistungen, aber das ist bei weitem nicht alles oder auf das reduziert, sondern wir

00:05:49: haben natürlich die Leistungen der Krankenkasten, der Unfallkasse, je nach Zuständigkeit oder

00:05:55: der Landesversorgungsämter beispielsweise.

00:05:57: Wir haben Bedarfe bei Betroffenen, die sofortige psychosoziale Unterstützung benötigen und

00:06:04: ähnliches.

00:06:05: Der Ablauf ist dann zunächst einmal alle Leistungserbringer, also alle, die Hilfeleistungen

00:06:10: in einem konkreten Geschehen anbieten können, an einen Tisch zu bringen.

00:06:15: Teilweise haben diese dann schon Kontakt zu den Betroffenen, für die sie zuständig sind,

00:06:20: teilweise noch nicht.

00:06:21: Teilweise sind Betroffene bei einem Leistungsträger oder Leistungserbringer angekommen, für die

00:06:29: er aber nicht zuständig ist, da kann man dann sich austauschen und weitervermitteln.

00:06:33: Ich nenne mal ein Beispiel bei einem Anschlaggeschehen in einer anderen Stadt, also nicht so liegen

00:06:39: beispielsweise, stellte man fest, wir haben nicht genügend Plätze in der Traumaambulanz,

00:06:43: für die es aber eigentlich ein Rechtsanspruch gab.

00:06:45: Es war aber eine Privatklinik auch an diesem Runden Tisch anwesend, die gesagt haben, aber

00:06:50: ich kann noch so und so viele Plätze zur Verfügung stellen.

00:06:53: Wenn ihr Bedarf habt, schickt mir jemanden.

00:06:56: Das heißt, das Ziel ist zunächst einmal, alle, die helfen können, an einen Tisch zu bringen,

00:07:00: um sich auszutauschen, was sind an Bedürfnissen schon bekannt bei den Betroffenen und welche

00:07:05: Leistungsangebote, welche Unterstützungsangebote bringen die Einzelnen mit.

00:07:10: Und das ist die erste Voraussetzung, denn mein Amt ist gegründet worden im Nachgang

00:07:15: an den Anschlag auf den Breitstaatplatz 2016.

00:07:18: Es hat sich seither auch in der Versorgung der Betroffenen viel getan.

00:07:22: Wir haben das Opfer Entschädigungsrecht reformiert und erweitert und viele Leistungen

00:07:26: erweitert.

00:07:27: Aber auch damals gab es natürlich schon Leistungen und Möglichkeiten, der Sozialstaat

00:07:33: es zu helfen.

00:07:34: Aber das Problem war, dass die Betroffenen vielfach von den Angeboten nicht wussten

00:07:38: oder nicht rechtzeitig wussten.

00:07:40: Das ist das, was wir gelernt haben, dass das eine der wichtigsten Aufgaben ist, nach einem

00:07:45: solchen Anschlag geschehen, da den Informationsfluss sicherzustellen.

00:07:50: Was gibt es an Leistungen?

00:07:51: So.

00:07:52: Der nächste Punkt und der nächste Schritt ist dann, und das war dann schon am Mittwoch,

00:07:56: dass wir diejenigen, die kommen konnten, also das heißt nicht im Krankenhaus waren oder

00:08:03: die kommen konnten, weil sie die Kraft hatten dazu, dass es nicht in jedem Fall vorausgesetzt,

00:08:09: dass jemand dann auch nach einem solchen Erleben gleich sich in größeren Gruppen wieder treffen

00:08:14: will.

00:08:15: Ein Informationsangebot eben gemacht, das dazu hatte die Polizei vor Ort eingeladen, herzlichen

00:08:20: Dank dafür.

00:08:21: Andernfalls hätten wir es gemacht, wo wir dann aus schon mal die ersten Informationen sozusagen

00:08:26: vermitteln, was gibt es für Unterstützungsleistungen, wie kommt man an diese Unterstützungsleistungen?

00:08:30: Darüber hinaus ist die Situation an solchen Anschlag oder die Betroffenen eines solchen

00:08:38: Anschlag sind so vielfältig wie das Leben, wie wir es kennen.

00:08:41: Jeder hat so seine eigenen Lebensgeschichten und seine eigenen Herausforderungen zu meistern.

00:08:47: Ich nenne jetzt mal ein fiktives Beispiel, weil wir ja auch immer rücksichtigen müssen,

00:08:51: dass mein Amt natürlich unter den Vorgaben des Datenschutzes und der Vertraulichkeit ist.

00:08:56: Aber ein fiktives Beispiel wäre, jemand wäre verletzt und läge im Krankenhaus und hätte

00:09:01: zu Hause ein Haustier, das unversorgt ist.

00:09:04: Das Krankenhaus selber, die medizinische Versorgung des Krankenhauses, ist nicht zuständig dafür,

00:09:08: das Haustier zu versorgen.

00:09:10: Aber wir wissen alle, dass gerade in solchen extremen Situationen Menschen dann eben

00:09:15: sich um bestimmte Dinge Sorgen machen, die für Außenstehende gar nicht nachvollziehbar

00:09:21: sind.

00:09:22: Da ist man vielleicht gerade kurz, also knapp dem Tod entronnen und ist schwer verletzt

00:09:28: im Krankenhaus und denkt dann die unversorgte Katze zu Hause.

00:09:31: Das belastet die Betroffenen.

00:09:33: Dann nicht zu wissen, wer sich um diese Katze kümmert.

00:09:37: Wir würden, wenn wir das Bedürfnis erfahren würden, würden wir uns dahinter klemmen,

00:09:42: dass jemand diese Katze versorgt.

00:09:43: Das ist die Fürsorge, das ist die Empathie, die wir als Staat den Betroffenen gegenüber

00:09:50: entgegenbringen wollen, nachdem in den vergangenen Jahrzehnten in vergleichbaren Situationen

00:09:55: der Staat gerade bei solchen Dingen versagt hatte oder einfach die Bedarfe nicht kannte

00:09:59: hatte oder auch die Bewertungen waren anders.

00:10:02: Ich denke an dentoberfest, das sagt der Octoberfest, hat ein Tat beispielsweise, 1980, wenn sie damit

00:10:09: betroffenen sprechen, im Rückblick da staunen sie, was damals möglich war.

00:10:14: Da ging das mehr so medizinische Erstversorgung geschlossen.

00:10:19: Jetzt stellen sie sich mal nicht so an, es geht ihnen doch wieder gut.

00:10:23: Also solche Aussagen würden heute nicht mehr geäußert werden.

00:10:28: Da haben wir eine ganz andere Sensibilität gewonnen, aber arbeiten da eben an städten

00:10:34: Verbesserungen.

00:10:35: Und ich schließe, wenn Sie so wollen, mit meinen eigenen Mitarbeitern und Möglichkeiten

00:10:40: genau diese Lücken zwischen manchmal verschiedenen Antragsformularen, stichwort wieder die Katze.

00:10:46: Also Dinge, für die der Sozialstaat jetzt eigentlich erstmal keine Regelung hat, keine Zuständigkeiten

00:10:51: definiert hat, keine Leistungen vorhält, aber trotzdem die Menschen umtreiben und

00:10:56: belasten.

00:10:57: Und für Terroropfer bin dann ich eben mit meinen Mitarbeitern und Mitarbeitern da, solche

00:11:02: Dinge zu klären.

00:11:03: Und wir versuchen es und sind in den meisten Fällen auch erfolgreich.

00:11:07: Nun klingt das ja überaus nett und sympathisch, wenn Sie sagen, wir kümmern uns im Zweifel

00:11:15: auch um die allein gebliebene Katze zu Hause.

00:11:18: Ich könnte mir dennoch vorstellen, dass, wenn Sie als Politiker am Ort eines terroristischen

00:11:25: Anschlags erscheinen, das Betroffene zwar sicherlich auch ganz dankbar sind dafür,

00:11:31: dass sie da sind, aber das vielleicht gelegentlich, sicherlich nicht immer, auch eine gewisse Verzweiflung,

00:11:37: eine gewisse Wut gegenüber der Politik auftaucht, haben Sie sowas auch schon erlebt oder anders

00:11:42: gefragt?

00:11:43: Wie reagieren die Leute, wenn Sie als Politiker an solchen Tatorten auftauchen, sind die dann

00:11:49: eher dankbar und freuen sich?

00:11:52: Ah, da ist jetzt der Pascal Kober von der FDP und er kümmert sich um mich.

00:11:55: Oder sind die vielleicht manchmal auch wütend und fragen Sie, wie konnte das passieren?

00:12:00: Warum hat die Politik nichts gemacht?

00:12:03: Begegnet Ihnen sowas vielleicht auch?

00:12:04: Ja, ich möchte vielleicht nochmal festhalten, wir kümmern uns nicht um die Katze.

00:12:08: Wir kümmern uns um die Menschen, der in einer inneren Not ist und für die die bestimmende

00:12:13: Not in der Situation vielleicht die Katze ist.

00:12:16: Es ist ein fiktives Beispiel, das nur zeigt, dass Menschen, die im Krankenbett liegen,

00:12:21: vielleicht ihren Genesungsprozess und die innerer psychische Belastung gekennzeichnet

00:12:27: ist von einer Sorge, die wir vielleicht als Außenstehende als Sorge gar nicht so wahrnehmen

00:12:31: würden.

00:12:32: Das wollte ich darauf hinweisen.

00:12:33: Wichtig ist auch nochmal zu sagen, ich bin beauftragterte Bundesregierung.

00:12:37: Ich bin das FDP-Politiker vor Ort und dann auf Ihre Frage jetzt konkret zu antworten.

00:12:42: Meine Erfahrung ist, dass mein persönliches Angebot bzw. meine persönliche Präsenz sehr

00:12:50: wertschätzt darauf genommen wird.

00:12:52: Trotzdem, und ich glaube darauf zielt Ihre Frage, wissen wir, dass Betroffene in vielen

00:12:57: Fällen eben doch nicht die Leistung oder Hilfe Möglichkeiten bekommen, die sie sich wünschen

00:13:02: bzw. die vielleicht auch objektiv angemessen wären.

00:13:05: Das ist aber auf einer anderen Ebene.

00:13:07: Und zwar auf der Ebene gibt es dafür eine gesetzliche Grundlage.

00:13:12: Weil was ich jetzt in der Akutsituation auch nicht ändern kann, ist, dass es für manche

00:13:17: Bedarfe keine gesetzliche Grundlage gibt.

00:13:20: Also beispielsweise bestimmte finanzielle Leistungen auszubezahlen, Reisekosten, vielleicht

00:13:27: für weit entfernte Angehörige oder ähnliches.

00:13:30: Also es gibt eine ganze Reihe an Dingen, die man vielleicht subjektiv menschlich erst

00:13:34: mal verstehen will.

00:13:35: Aber ich bin natürlich in dem, was ich an Unterstützungsleistungen bieten kann, entweder

00:13:40: sozusagen auf diese Dinge, die nicht ausgeschlossen sind, also die ich mit den eigenen Ressourcen,

00:13:46: also Mitarbeitern lösen kann.

00:13:48: Oder aber ich komme auch an Grenzen der Hilfe.

00:13:52: Und an der Stelle erleben wir Frust.

00:13:55: Das ist meistens gar nicht so in der allerersten Situation, sondern in den darauffolgenden

00:14:00: Wochen, Monaten und Jahren stellen sie sich vor, sie sind nach einem solchen Anschlaggeschehen

00:14:06: erwerbsgemindert und müssen an Erwerbsminderungsrente beantragen.

00:14:10: Und so brauchen sie eine Begutachtung.

00:14:13: Und da erleben zum Beispiel viele Betroffene, dass die Formen wie Beutachtungen, die Art

00:14:20: und Weise wie Begutachtungen in so einem Sozialstaat durchgeführt werden, wenig sensibel und

00:14:26: wenig wertschätzt sind.

00:14:27: Die Betroffene müssen immer wieder sich erklären, weil dann eben Leistungen auch zeitlich

00:14:32: befristet ausbezahlt werden, neu beantragt werden müssen, dass immer wieder neu ihre

00:14:36: Situation erklären müssen.

00:14:37: Für den Betroffenen wirkt das unverständlich, weil sie sagen, mein Name steht in jeder Zeitung

00:14:43: als Betroffener dieses Anschlags.

00:14:46: Und wenn man sich vergegenwärtigt, was da passiert ist, muss doch klar sein, dass es

00:14:50: mir nicht gut gehen kann.

00:14:51: Aber der Sozialstaat funktioniert so, dass er Leistungen dann bezahlt und bewilligt,

00:14:57: wenn der Bedarf nachgewiesen ist.

00:14:59: Und das ist in vielen Fällen mit einer Begutachtung verbunden.

00:15:01: Und das ist zum Beispiel so ein Beispiel, was immer wiederkehrend Menschen verletzt und

00:15:07: wo sie auch hardern sehr mit der Fürsorge des Sozialstaates an der Stelle.

00:15:12: Oder ich habe es angesprochen, sowohl in der Akutphase als auch in der langfristigen

00:15:16: Perspektive.

00:15:17: Es gibt einfach für bestimmte Bedarfe oder Wünsche von Betroffenen keine Leistungen.

00:15:25: Das ist dann gesetzgeberisches Handeln.

00:15:27: Entweder wir lösen das, das heißt mit Mehrheit im Deutschen Bundestag oder es gibt halt

00:15:32: dauerhaft dieses Leistungsangebot oder diese Leistung nicht.

00:15:36: Aber das richtet sich nicht die Kritik gegen mich.

00:15:40: Ein weiteres Themenfeld ist, die Frage ist eigentlich, hätte die Tat verhindert werden

00:15:47: können.

00:15:48: Das spielt in ganz vielen dieser Anschlagsgeschehen eine Rolle.

00:15:51: Gestern war ich in Halle zum fünfjährigen Gedenken an den Anschlag auf eine Synagoge

00:15:58: und in der Folge dann eben der Tötung von zwei Menschen und der Verletzung von zwei

00:16:03: weiteren Menschen.

00:16:04: Hier ist offensichtlich bei zumindest für Ausschenstehende kaum nachvollziehbar, dass

00:16:10: der Täter überhaupt an Waffen kommen konnte.

00:16:12: Und doch klar, dass er vorher schon auffällig war und da hätte man doch vorher schon einschreiten

00:16:18: können und die Tat vielleicht so verhindern können.

00:16:22: Denken Sie an Hanau.

00:16:23: Auch dort war der Täter, der hatte Waffen im eigenen Haus, war schon vorher auffällig

00:16:30: geworden, wo dann Betroffene sich fragen, der Staat da nicht versagt, weil er beispielsweise

00:16:35: eben die Waffen nicht entzogen hat.

00:16:37: Die Liste geht so weiter.

00:16:39: Denken Sie jetzt an Solingen.

00:16:41: Warum war der Täter noch im Lande?

00:16:43: Aber diese Kritik ist gegen den Staat, gegen die Politik gerichtet, gar keine Frage.

00:16:48: Ich muss aber sagen, dass ich jetzt nicht erlebe, dass ich das gegen mich als Person

00:16:54: bzw. mein Angebot und die Unterstützung des Bundesopferbeauftragten richtet.

00:16:59: Also Sie kriegen denn Frust selten oder gar nicht vor Ort ab?

00:17:04: Würden Sie es so umschreiben?

00:17:06: Also ich kriege ihn nicht ab, aber ich kriege ihn mit.

00:17:10: Denn in den Gesprächen mit den Betroffenen spielt das natürlich eine Rolle und nur

00:17:16: die Unterscheidung sozusagen, muss ich sagen, wird schon gemacht von den Betroffenen, wer

00:17:21: für was verantwortlich ist.

00:17:23: Ich könnte mir vorstellen, dass wenn Sie als Politiker in solche Situationen kommen,

00:17:27: dass Sie auf jeden Fall mit einer Menge Emotionen umgehen müssen.

00:17:30: Leidwut, Angst, vielleicht auch Dankbarkeit, wenn die Menschen dann tatsächlich auch Hilfe

00:17:35: bekommen und Sie da mithelfen können, dass sie die richtige Hilfe bekommen.

00:17:39: Auf jeden Fall viele Fragen darüber, wie es denn weitergehen wird und soll und kann.

00:17:45: Da liegt die Frage bei Ihnen nahe, ob Sie als Pfarrer und Seelsorger vielleicht besonders

00:17:51: geeignet sind, mit solchen Situationen umzugehen.

00:17:54: Können Sie besser mit sowas umgehen als andere?

00:17:57: Ich meine, Sie hatten ja auch Vorgänger im Amt, Kurt Beck zum Beispiel.

00:18:00: Ich will nicht sagen, dass Kurt Beck das schlechter gemacht hat.

00:18:04: Ich will nur fragen, können Sie als Pfarrer und Seelsorger besser damit umgehen?

00:18:07: Also die Beurteilungen sind dazu überlassig gerne anderen.

00:18:12: Ich möchte mal Folgendes sagen, sicherlich ist jeder als Person anders und meine beiden

00:18:18: Vorgänger haben Großes geleistet.

00:18:24: Kurt Beck hat überhaupt den Anstoß gelegt, dass dieses Amt geschaffen worden ist und hat

00:18:29: auch, wenn man so will, die Grundaufgabe beschrieben und die Mehrheit dafür, zumindest politische

00:18:35: Mehrheit, so sensibilisiert, dass das Amt geschaffen worden ist.

00:18:38: Mein Vorgänger hat im Grunde alle Ressourcen, auf die ich heute zurückgreifen kann, im

00:18:43: Sinne der Betroffenen geschaffen.

00:18:45: Er hat wesentliche Verbesserungen im Opferentschädigungsrecht, den neuen SGB 14 angestoßen und auch politisch

00:18:53: sagen wir mal umgesetzt.

00:18:55: Also da kann man gar nicht dankbar genug sein oder ich bin da nicht da, also kann da nur

00:19:00: sehr dankbar sein für das, was meine Vorgänger geleistet haben.

00:19:03: Der Bundesjustizminister, der mich dem Kabinett vorgeschlagen hat, hat seinen Vorschlag

00:19:10: begründet damit auch mit der Kompetenz, die er mir zumisst als ehemaliger Militärseelsorger

00:19:16: und ehemaliger Seelsorger in der Gemeinde, auch als Sozialpolitiker, der ich auch noch

00:19:21: bin.

00:19:22: Ich glaube oder was mir hilft ist, dass ich durch die Arbeit mit traumatisierten Soldaten

00:19:29: das Krankheitsbild, die Erkrankung, Traumatisierung, Traumatar, prostromatische Belastungsstörung

00:19:36: und ähnliches schon kannte und eine gewisse Erfahrung habe machen können mit Menschen,

00:19:43: die darunter leiden.

00:19:45: Und deshalb glaube ich schon, dass ich mich gestärkt fühle, war auch durch meine Lebenserfahrung

00:19:52: Berufserfahrung auch in dem Amt wirken zu können.

00:19:55: Aber letzten Endes, ich glaube, jeder ist sehr unterschiedlich und ich höre über meine

00:20:01: beiden Vorgänger von den Betroffenen auch nur Gutes.

00:20:04: Also insofern muss ich sagen, bin ich es nicht nur ich dankbar, ich glaube auch die Betroffenen

00:20:08: dankbar, dass es Herrn Professor Franke und Kurt Beck gegeben hat.

00:20:11: Das Amt, jetzt sind wir schon bei den Vorgängern.

00:20:14: Das Amt wurde 2018 ins Leben gerufen, das haben Sie eben auch schon mal gesagt, als Reaktion

00:20:20: auf den Anschlag auf den Breitscheidplatz in Berlin.

00:20:24: Jetzt war das ja nicht der erste terroristische Anschlag mit vielen Toten in Deutschland.

00:20:30: Es gab die NSU-Mor, es gab Brandanschläge auf Asyl, Unterkünfte, das Olympiatentat,

00:20:36: wenn wir noch weiter zurückgehen.

00:20:38: Warum, was würden Sie sagen, warum hat die Gesellschaft oder warum ist die Gesellschaft

00:20:44: ausgerechnet durch dieses Verbrechen so geprägt worden?

00:20:49: Manche sprechen sogar von der Zeitenwende.

00:20:52: Warum ist der Breitscheidplatz, ja, warum ist der so eine besondere Tat im negativen

00:21:00: Sinne?

00:21:01: Warum hat er so einen Stellenwert?

00:21:02: Auf diese Frage muss ich ehrlicherweise sagen, habe ich auch keine befriedigende Antwort.

00:21:07: Es ist wie vieles in der Politik, es braucht Zeit, es braucht Sensibilität für die Bedarf

00:21:13: oder Bedürfnisse.

00:21:14: Denken Sie an viele Fragen des Klimaschutzes, des Umweltschutzes, des Tierchutzes.

00:21:20: Es hat viele Dinge vor Jahrzehnten anders bewertet, als wir es heute tun.

00:21:25: Dazu muss man sagen, dass es international, also auch auf europäischer Ebene und auch

00:21:31: auf der ebenen der Vereinten Nationen vergleichbare Entwicklungen gegeben hat.

00:21:34: Wir waren da nicht die Ersten, um es mal so zu sagen.

00:21:38: Und erschreckend ist eigentlich im Rückblick, dass zum Beispiel der Anschlag, der ja auch

00:21:44: in Deutschland viele Menschen erschüttert hat, auf die Concerte-Hallé-Bataclons, bzw.

00:21:50: der Anschlagskomplex.

00:21:51: Es gab ja auch andere Anschlagsorte im selben Anschlagskomplex, im Spätherbst 2015.

00:21:59: Oder denken Sie an die Amokfahrt, von der auch eine deutsche Schulklasse betroffen war,

00:22:04: des dynamistischen Attentäters mit einem Lkw auf der Strandpromenade Nizza vor dem

00:22:09: Breitscheidplatz.

00:22:10: Das war ja wohl, soweit man weiß, das Vorbild für die Tate des Breitscheidplatzes.

00:22:16: Ich glaube, manches, und das ist vielleicht jetzt im Rückblick immer alles unbefriedigend,

00:22:22: aber manches braucht halt seine Zeit, dass es zu der politischen Bewusstsein und zu politischen

00:22:28: Mehrheiten führt.

00:22:29: Das Traglitz des Breitscheidplatzes war auch eine Fülle an Dingen, die schiefgelaufen

00:22:36: sind, die in der Masse sozusagen vielleicht auch nicht in jüngerer Zeit zumindest mal

00:22:44: zu bezeugen waren in Deutschland.

00:22:46: Man hat am nächsten Tag gleich ein Gedenkottesdienst eingeführt, durchgeführt und die höchsten

00:22:52: politischen Vertreter waren anwesend.

00:22:55: Man hatte vergessen, die Betroffenen einzudaten.

00:22:57: Also, da sind Dinge passiert, ich glaube, wo man zu Recht als Bundesrepublik gesagt hat,

00:23:03: dafür schämen wir uns und das möchten wir nicht, dass es nochmal wiederholt wird.

00:23:07: Und gleichzeitig gab es damals auf der Ebene des Landes Berlin einen Opferbeauftragten,

00:23:15: der ehrenamtlich tätig war, Herrn Weber, der zwar keine kaum Ressourcen hatte für einen

00:23:21: Anschlag geschehen dieser Dimension.

00:23:23: Aber eben doch mit seiner Erfahrung und seiner Kreativität doch etwas bewirken konnte.

00:23:32: Und ich glaube, die Kombination aus dem Scheitern und aber dem Erkennen, es gibt eine Lösung,

00:23:39: hat dazu geführt, dass man gesagt hat, wir brauchen eine Ombudsperson oder eine beauftragten

00:23:44: Person für diesen Betroffenenkreis und hat dann eben kurz weg gewinnen können, sich

00:23:49: mit seinem politischen Einfluss und seiner politischen Know-how sozusagen für die Betroffenen

00:23:55: einzusetzen.

00:23:56: Und das hat er gemacht und die Empfehlung ausgesprochenes Amt dauerhaft einzurichten.

00:23:59: Im Nachgang, ich habe mit vielen Betroffenen zu tun, die früheren Anschlagsgeschehen zum

00:24:05: Opfer gefallen sind, ob das jetzt die Entführung der Landshut ist oder ob der Anschlagger

00:24:11: auf das Oktoberfest, am 6.

00:24:12: 22. September 1980, war oder ist, man kann heute nur den Kopf schütteln, was damals

00:24:20: nicht möglich war oder umgekehrt, was möglich war, was damals noch als Normalgehalt im Umgang

00:24:25: mit Betroffenen und zwar Betonung auf Normalgehalt.

00:24:29: Also ich rede noch gar nicht von Dingen, die auch damals unter damaligen Bewertung schon

00:24:36: schief gegangen sind.

00:24:37: Und selbst als es in meinem Amt gab, also als es das Amt schon gab, also denken Sie an

00:24:42: die Vorwürfe, die zu Recht erhoben werden, beispielsweise von den Betroffenen in Hanau,

00:24:47: die sagen, also da sind Namen auf Totenschein verwechselt worden, da sind Leichnahme zurückgegeben

00:24:53: worden mit Kanülen in den Armen aus der Gerichtsmedizin, da sind die persönlichen Gegenstände

00:25:00: eines Toten an die falsche Familie überstellt worden.

00:25:03: Also das sind Dinge, wo man nur sagen kann, das darf in einem Rechtsstaat, in einem Sozialstaat,

00:25:09: wie wir ihnen verstehen und was unser Anspruch ist, einfach nicht vorkommen.

00:25:13: Und da muss man diese Sorgfalt eben auf Leben wollen und durchführen wollen, dass solche

00:25:18: Dinge nach, also wenn irgend möglich eben nicht stattfinden und wenn sie dann passieren,

00:25:25: dass dann auch entsprechend auf die Betroffenen zugegangen wird und ehrlich und um Entschuldigung

00:25:30: gebeten wird.

00:25:31: Wenn man die Nachrichten anschaut, ich könnte mir vorstellen, dass das vielen so geht,

00:25:38: bekommt man schnell den Eindruck, dass es mehr Attentate gibt als früher.

00:25:43: Allein in diesem Jahr gab es neben Soling noch Mannheim, auch ein Messerattentat, 2021

00:25:50: Würzburg, 2020 Hanau, haben sie eben schon angesprochen, ein Jahr zuvor Halle.

00:25:55: Also man bekommt vielleicht den Eindruck, dass das so eine seltsame Form von Normalität

00:26:01: geworden ist.

00:26:02: Ich will das damit nicht irgendwie nicht komisch bewerten, aber dass das so eine Alltäglichkeit

00:26:07: bekommen hat.

00:26:08: Trügt der Schein, gibt es heute mehr Attentate oder ist das unsere Wahrnehmung?

00:26:13: Also wenn ich jetzt zurückblicke und beispielsweise an die 70er Jahre denke und den RF Terrorismus

00:26:19: kann ich das jetzt so einfach nicht bestätigen, was aber ein neues Phänomen ist und das seit

00:26:24: zwei Jahrzehnten etwa in Europa und jetzt in einem kürzeren Zeitraum rückblickend auch

00:26:29: in Deutschland ist natürlich das Auftreten des islamistischen Terrorismus, den wir so

00:26:34: in der Geschichte nicht von Anfang an hatten.

00:26:37: Den Rechtsterrorismus hatten wir und den Linksterrorismus hatten wir und jetzt kommt deslamistisch

00:26:41: motiviertes Terrorismus dazu.

00:26:43: Auch die Durchführung der Taten unterscheidet sich, denn ich sage jetzt mal, diese Messerangriffe,

00:26:49: die nicht alle terroristisch motiviert sind, das muss man auch dazu sagen.

00:26:53: Aber da ist vielleicht auch durch die Einfachheit, um es mal sozusagen einen solchen Anschlag

00:26:58: durchzuführen, natürlich die Gefahr auch viel größer und vielleicht auch die Wahrnehmung,

00:27:03: dass es jeden treffen könnte.

00:27:04: Das heißt, diese Taten wirken im Bewusstsein der Bevölkerung, glaube ich, noch intensiver

00:27:09: als ein abstraktes Bombenartentat, wo man so vielleicht die Vorstellung hat, naja,

00:27:14: das kann gar nicht so häufig vorkommen und deshalb auch nicht mich so treffen, wie es

00:27:19: beispielsweise der Bombenmandschlag des Oktoberfest war, abgesehen davon, dass damals natürlich

00:27:26: politisch das Thema auch möglich sind und ein Tisch gekehrt wurde, das war kurz vor

00:27:30: einer Bundestagswahl und das hat dann auch nochmal in der Aufarbeitung und Bewertung

00:27:35: nochmal eine eigene Dynamik bekommen, aber die nicht in Ordnung ist, also jetzt aus heutiger

00:27:40: Sicht und damals auch nicht.

00:27:42: Aber ich sage jetzt mal die Vorstellung, dass jemand, der mich einfach, egal wo ich mich

00:27:48: bewege, mir begegnen könnte mit einem Messer in der Tasche und das ziehen könnte, ich

00:27:53: glaube, diese Wahrnehmung ist unheimlich, also die Wahrnehmbarkeit der eigenen Gefährdung

00:27:58: ist größer geworden.

00:27:59: In ihrem Beruf, in ihrer Berufung, in ihrer Position, die Sie jetzt innehaben, sind tot

00:28:09: und leid, so blöd das klingt, aber tatsächlich ja allgegenwärtig.

00:28:14: Das ist aber in Ihrem Leben nichts Neues.

00:28:17: Sie haben sich in Krisengebieten Soldaten beschäftigt, die wahrscheinlich auch traumatisiert

00:28:23: waren.

00:28:24: Sie tragen das ihr Leben lang mit ihr Berufsleben lang.

00:28:29: Muss man eine besondere Art Mensch sein, um solche Positionen innezuhaben?

00:28:35: Das weiß ich nicht.

00:28:37: Also ich habe ja viele Berufskollegen als evangelischer Pfarrer, die in der Seelsorge

00:28:42: tätig sind, sei es in der Gemeinde, der Trauerbegleitungen, also Familien der Trauerbegleiten oder

00:28:49: als Krankenhausseelsorger ja täglich mit dem Tod und dem Verlust und der Trauer konfrontiert

00:28:53: sind.

00:28:54: Die Militärseelsorger haben sie angesprochen.

00:28:57: Ich glaube, man wird darauf achten müssen, dass man sich selber verzweifelt, muss man

00:29:04: sozusagen angesichts des Leids, dass einem täglich begegnet oder begegnet kann.

00:29:10: Und ich glaube, da sind vielleicht nicht die Voraussetzungen bei jedem gleich, damit

00:29:15: umzugehen, aber das ist letztendlich etwas, was ich auch nur als Geschenk annehmen kann,

00:29:22: dass es bisher bei mir nicht so gewesen ist und dass ich den Eindruck habe, dass mein

00:29:25: Umgang mit trauernden und traumatisierten Personen, den Menschen, so jedenfalls die

00:29:31: Rückmeldung eher gut tut.

00:29:33: Man sagt ja immer, man soll es nicht mit nach Hause nehmen, so ein geflügeltes Wort.

00:29:37: Gibt es da Strategien?

00:29:38: Haben Sie persönlich Strategien entwickelt, vielleicht auch im Laufe Ihrer vielen Berufsjahre,

00:29:43: die Ihnen dabei helfen, das Leid nicht mit nach Hause zu nehmen oder nehmen Sie es vielleicht

00:29:48: sogar mit nach Hause?

00:29:49: Ich weiß ja nicht, wie Sie persönlich damit umgehen.

00:29:51: Ja, die Problematik ist natürlich, dass gerade die Gespräche, die ich unter vier Augen

00:29:57: führe, dass die unter dem, natürlich würden wir sagen, Beichtgeheimnis stehen, aber jetzt

00:30:01: hier in diesem Amt natürlich unter dem Datenschutz und ich über die Dinge nicht so in Detail

00:30:08: sprechen kann, also wie ich möchte.

00:30:11: Trotzdem weiß ich, dass es sehr wichtig ist, dass man über seine eigenen Gefühlswelt

00:30:17: spricht und ich sage mal ganz plastisch, wenn ich in der Bundesrepublik unterwegs bin, um

00:30:23: Betroffene zu treffen und mit ihnen zu sprechen.

00:30:26: Viele kommen auch nach Berlin, ich bin auch viel unterwegs in der Bundesrepublik, also

00:30:30: wie zum Beispiel gestern, am 9. Oktober in Halle.

00:30:34: Dann habe ich einen Fahrer dabei und das Erste, was ich mache, ist, ins Auto steige, sage

00:30:39: ich, wie es mir geht.

00:30:40: Der Fahrer ist ihr Seelsorge, das ist doch schön.

00:30:44: Ja, das ist aber das Schöne, dass ein Teil der Seelsorge kann dann doch, liegt natürlich

00:30:50: darin zuzuhören und sie brauchen, weil sie sich nicht, weil sie schlecht an eine Wand

00:30:55: hin reden können, brauchen sie doch an anderen Menschen.

00:30:58: Und da dann zu sagen, das hat das Gespräch, das war es nicht leicht oder da habe ich mal

00:31:05: wieder was gehört, wo ich nur den Kopf schütteln kann, das kann doch nicht sein, dass es

00:31:08: in einem Staat so zugeht oder dass ein Mensch das ertragen muss oder, also sagen wir mal

00:31:13: auf einer, dass man zumindest mal auf der Gefühlsebene sich aussprechen kann.

00:31:21: Das ist ja wichtig, dass die persönlichen Gefühle sozusagen sich anstauen in einem

00:31:28: selber.

00:31:29: So darüber hinaus, das wird für ihre Hörerinnen und Hörer sicherlich nachvollziehbar sein.

00:31:34: Die ist natürlich der christliche Glaube verbunden damit, dass Gott eines Tages alle Tränen

00:31:39: trocknen wird.

00:31:40: Und so schlimm und so verzweifelt die Situation eines Einzelnen in dem Moment oder in dieser

00:31:52: Wirklichkeit der Welt erscheinen mag oder auch schlichtweg ist, haben wir als Christen

00:31:59: immer noch die Hoffnung und dürfen wir die Hoffnung haben, dass Gerechtigkeit oder eben

00:32:05: die, dass die Trocknung der Tränen diesen Personen widerfahren wird.

00:32:10: Ob sie es selber sehen oder nicht und das, glaube ich, macht was mit einem selbst, aber

00:32:15: das strahlt auch durch einen selbst auf die Personen durch.

00:32:19: Ich finde ja immer, dass das Vertrauen auf Gott in solchen Situationen in zwei Richtungen

00:32:26: ausschlagen kann.

00:32:27: Einerseits, so wie Sie es gerade beschrieben haben, ja, Gott trocknet alle Tränen, wir

00:32:32: haben eine Hoffnung, die über den Tod hinausgeht und über alles leid.

00:32:35: Als Christen und andererseits aber auch immer die Frage, und die ist etwas abgedroschen,

00:32:41: aber trotzdem bin ich mir sicher, dass Sie sich diese auch manchmal stellen, wieso lässt

00:32:47: Gott das denn zu?

00:32:48: Wie kann ein liebender Gott das tun?

00:32:50: Was machen Sie denn in solchen, also ich gehe davon aus, Sie stellen sich diese Frage,

00:32:54: wie gehen Sie denn damit um, wenn Ihnen das leid, dann tatsächlich auch im Angesicht

00:33:00: Gottes unverständlich erscheint?

00:33:02: Also die Frage wäre vielleicht für mich eher so, warum lässt Gott das zu?

00:33:07: Warum greift er nicht ein?

00:33:09: Aber wie Sie sagen, das ist eine Frage, die Menschheit schon immer bewegt hat und selbst

00:33:15: und an der kann auch kein Mensch dran vorbeikommen, auch als Christ ist oder nicht.

00:33:19: Warum gibt es das Böse in der Welt, warum gibt es das Leid in der Welt, warum gibt es

00:33:23: das Zerstörung in der Welt, auch in der unbelebten Natur, wie wir so schön sagen, ja, also das

00:33:28: heißt die Hurricanes, die Gewalt, die Naturgewalten und ähnliches.

00:33:32: Für mich ist diese Frage im Theologiestudium xfach von ganz, ganz schlauen Leuten versucht

00:33:39: worden zu beantworten in der Historie der Theologie.

00:33:42: Am Ende bleibt die für mich eben tragende Hoffnung, auch wenn ich es nicht verstehe,

00:33:48: eines Tages werde ich es verstehen und die sozusagen erkannte ich.

00:33:52: ich mich anvertrauen und deshalb kann ich auch Leid ertragen. Jetzt muss ich dazu sagen,

00:33:58: dass mein persönliches, also ich als Person jetzt noch nicht vor ganz großen existenziellen

00:34:03: Krisen gestanden habe, aber ich begleite natürlich von Menschen, wo man sich wirklich die Frage stellt,

00:34:09: kann das ein Mensch aushalten und dann noch mehr, wo ich dann sage, ich kann klagen darüber,

00:34:18: meinem Gott, das ist ja auch ein wichtiger Glaubensinhalt und ein ganz wichtiger Teil unseres

00:34:25: Vertrauens, dass wenn wir gegenüber Gott klagen, dass er uns deshalb trotzdem nicht fallen lässt,

00:34:29: aber eben diese Zuversicht, dass ich eines Tages die Antworten auf diese Frage bekommen werde

00:34:35: und das ist das, was mich trägt. Und auch vielleicht, also wenn ich jetzt von mir sprechen muss oder

00:34:41: sprechen darf, auch die Erkenntnis, dass man nicht alles verstehen muss. Also das hilft mir manchmal

00:34:48: in solchen Situationen, dass ich denke, na, ich muss es vielleicht auch, vielleicht verstehe ich es

00:34:52: irgendwann, aber so dieser Schritt auf die Meta-Ebene, das ist in Gottes Hand. Ja, und das ist eben,

00:34:57: dass sich das anvertrauen können. Da wird das wohl eine Antwort geben, auch wenn ich sie jetzt

00:35:02: gerade nicht verstehe. Aber eben auch diese, ich sage schon, auch diese innere Forderung oder diese

00:35:09: Zuversicht in die Auflösung dieser Forderung, das wird eine Antwort geben. Was würden Sie denn sagen

00:35:17: nach all den Jahren in der Seelsorge und auch in so vielen verschiedenen Facetten von Seelsorge,

00:35:23: haben Sie als Christ etwas gelernt von den Menschen, die Sie betreut haben? Ich weiß gar nicht,

00:35:32: ob man das so sagt oder die Sie begleitet haben im Umgang mit Leid. Haben Sie, haben Sie Ihnen was

00:35:37: beigebracht, was Sie vorher noch nicht wussten? Ich weiß nicht, ob es um Wissen geht, also jetzt

00:35:43: um Erkenntnis im abstrakten Sinne, aber es ist eben doch sehr bewegend manchmal zu sehen,

00:35:51: wie viel Leid ein Mensch und wir damit umgehen kann. Ich habe hohen Respekt vor denjenigen beispielsweise,

00:35:58: oder damit es gleich richtig verstanden wird. Betroffene jetzt von Terrortaten, reagieren auf

00:36:05: die Terrortaten sehr unterschiedlich. Es gibt welche, die sehr viel Kraft gewinnen aus dem Leid,

00:36:10: um beispielsweise auch für Verbesserungen zu kämpfen. Gestern in Halle bei der Gedenkveranstaltung

00:36:16: sagte einer, der mit dem Leben davon gekommen ist, knapp. Er hat eine Wut in sich, die sozusagen

00:36:22: positiv wenden will für Verbesserungen in dieser Gesellschaft. Diese Tat, dass der Täter überhaupt

00:36:30: die Möglichkeit hat, in unserem Staat diesen Hass zu entwickeln, auf Minderheiten und diese

00:36:35: rechtsrechte Gesinnung zu entwickeln, das macht ihn wütend. Ist er überhaupt die Waffen und so

00:36:41: weiter bekommen hat, das macht ihn wütend. Aber er möchte sozusagen diese Wut, diese Energie umsetzen,

00:36:48: um für eine Gesellschaft zu kämpfen, der eben anders denkende, anders glaubende oder Menschen

00:36:54: mit anderen Hintergründen, Migrationshintergrund und ähnliches zusammen friedlich leben kann.

00:36:59: Das erlebe ich ganz viel, dass Menschen aus ihrer Frustration, denn ich kann mir ja sagen,

00:37:05: das Erlebens eine positive Energie entwickeln für Verbesserungen einzutreten. Es gibt aber auch

00:37:12: andere, die sagen, das ist mir alles zu viel. Ich möchte Abstand haben. Jeder Gedecktag reist

00:37:18: nicht eigentlich zurück. Ich möchte eigentlich Abstand gewinnen können. Das tut, das ist es,

00:37:23: was mir gut täte. Und es gibt Betroffene, die denen eine unglaubliche, ich sage mal,

00:37:32: Genesung im Sinne von, die eine Lebensfreude wieder entwickeln können und noch mehr Energie so zu

00:37:40: sagen aufwenden können für andere, für Dritte. Das ist so vielfältig und von allen können sie

00:37:46: etwas lernen. Und gestern war ein Betroffener, der öffentlich einfach nur fünf Minuten Danke gesagt

00:37:52: hat, also Danke X Personen oder Gruppen, die ihn aufgefangen haben bis heute und tragen durch den

00:37:59: Verlust seines Sohnes und sich nur bedankt hat. Kein anderes Wort war außer Danke an die

00:38:07: verschiedenen, die ihm da helfen vom Fußballclub seine Sohne, auch die Landesopferbeauftragte wurde

00:38:12: genannt, auch ich wurde genannt, die jüdische Gemeinde wurde genannt und die Stadt und also

00:38:18: ich kann es jetzt gar nicht alles aufzählen, aber jemand, der einfach nur dankbar ist,

00:38:22: obwohl er selber noch sehr, sehr, sehr unter dem Schmerz leidet, dass er seinen einzigen Sohn

00:38:27: verloren hat. Sofern lerne ich im Sinne von, ich kann bei ganz vielen Aspekte und ja Umgang mit

00:38:38: Leid und diesen Erfahrungen des Terrorangriffs erleben und alles ist für mich so, dass es mir

00:38:45: auch wieder Kraft gibt für neue Anschlagsgeschehen und für Perspektiven, wo ich sagen kann,

00:38:51: da werden sich auch die neuen Betroffenen wahrscheinlich in die ein oder andere Richtung

00:38:56: entwickeln und da gibt es auf jeden Fall einen Weg. Gibt es eigentlich so eine Art,

00:39:01: sie werden jetzt auf jeden Fall mit neuen Antworten, aber trotzdem nicht die Frage stellen, gibt es so

00:39:06: eine Art Abstumpfungsgeschehen, wenn man das so viele Jahre macht, also es ist ja einmal diesen

00:39:11: Umgang mit den Terroropfern und Angehörigen und hinterbliebenen, die sie jetzt haben, aber auch

00:39:16: der Umgang mit den Soldaten als Seelsorger und als Gemeindeseelsorger, also sie haben ja seit sehr

00:39:23: vielen Jahren immer mit unterschiedlichen Arten von Leid zu tun. Ich weiß das von mir als Journalistin,

00:39:29: wenn ich permanent mit schlechten Nachrichten zu tun habe, irgendwann hat man so ein Abstumpfungsgeschehen

00:39:33: in sich beobachtet, also ich zumindest beobachte das bei mir, dass mich die Sachen nicht mehr so

00:39:37: anfassen. Würden Sie sagen, dass es bei einem Seelsorger, bei Ihnen als Seelsorger auch so?

00:39:43: Sie haben die Antwort ja vor der Kinder. Ich würde sagen, nein, das soll auch gar nicht so sein

00:39:50: und dann wäre man glaube ich auch reif für eine andere berufliche Tätigkeit. Also wenn sie,

00:39:55: ich meine beides ist ja richtig, wenn sie noch verzweifelter sind angesichts des Erlebten,

00:40:01: also sozusagen gesehenen und miterlebten Leides, wenn sie verzweifelter wären als die Person selbst,

00:40:07: dann ist es natürlich schwierig. Dann wären sie definitiv nicht die richtige Person. Ich habe

00:40:16: vorher von der Christlichen Hoffnung gesprochen, es gibt ja auch die politische Hoffnung. Also Sie

00:40:20: können und das erlebe ich ja auch tagtäglich, dass wir an Verbesserungen arbeiten. Also wir schaffen

00:40:25: für ganz viele Personen im Induellen, aber natürlich auch in politisch allgemeinen Verbesserungen.

00:40:32: Und die Aufgaben werden auch da nicht weniger, sondern scheinbar mehr. Aber wir kommen einfach

00:40:40: Schritt für Schritt, kleine Schritte und langsame Schritte, aber wir kommen voran. Und ich nenne

00:40:47: Ihnen jetzt mal ein Beispiel, wo wir ganz am Anfang stehen, aber was eben auch zunehmend zu einem

00:40:52: Problem wird, über das wir als Gesellschaft auch sprechen müssen, ist diese ganze True Crime

00:40:56: Industrie in den Medien, wo eben tatsächliche Taten medial aufgearbeitet werden zur Unterhaltung,

00:41:06: zur schaurig schönen Unterhaltung von anderen. Und was macht das aber mit denen,

00:41:11: die tatsächlich von der Tat betroffen wurden? Und vor allen Dingen auch die Frage,

00:41:16: gibt es so einen Adwerteffekt, also so ein Nachahmeneffekt? Das mag auch noch eine Rolle

00:41:21: spielen, aber mich interessiert jetzt sozusagen oder uns als Opferbeauftragte. Wir haben ja

00:41:26: seitens den Bundesopferbeauftragten gibt. Also vorher gab es den Kollegen Weber in Berlin und

00:41:30: dann gab es den Bundesopferbeauftragten. Mittlerweile haben wir noch 14 andere Länderkollegen,

00:41:35: das heißt insgesamt zum Herzen zu 15 plus den Bundesopferbeauftragten. Der Brandenburg hat

00:41:40: noch keinen Landesopferbeauftragten. Wir treffen uns regelmäßig und das ist zum Beispiel ein Thema,

00:41:44: mal so wie die True Crime Situation. Wir wollen dann mal Awareness, wie man neudeutsch sagt,

00:41:49: also Bewusstsein schaffen, auch in den Medienlandschaft, dass das auch ein Stück weiter und Ausbeutung von

00:41:56: Lebensschicksalen, von den tatsächlich Betroffenen bedeutet. Und die Betroffenen teilweise sich

00:42:03: wirklich dadurch belastet fühlen. Und das sind zum Beispiel so ein Thema, ich weiß gar nicht,

00:42:08: wir haben da keine rechtliche Antabe und das wäre auch in einer freien Gesellschaft mit Meinungsfreiheit

00:42:14: und der Freiheit der Medien auch nicht sinnvoll jetzt gesetzlich dagegen einzugreifen, aber dass

00:42:19: man vielleicht einen Ehrenkodex, ein Wertekodex einfordert oder vielleicht zumindest mal schauen

00:42:26: Sie, dass das Oktoberfest hat ein Tat, fand statt am Haupteingang und da steht jetzt ein Gedenk,

00:42:33: ein Gedenkdenkmal sozusagen für die damals verletzten und getöteten und das wurde jetzt in

00:42:40: einer Krimiserie zum Tatort gemacht für einen Mord. Das ist sehr kritisiert worden jetzt von den

00:42:47: Betroffenen bei diesem Jahrestag. Man fragt sich, also ich bin zuversichtlich, da kann man doch ein

00:42:54: bisschen mehr Sensibilität von Medien schaffen, denn Buchautoren, das war jetzt ein fiktiver

00:42:59: Krimi, erwarten und ich bin auch zuversichtlich, dass wenn wir da die Stimme erheben, dass es da

00:43:05: zu Verbesserungen kommen kann, also auf ihre Frage zurückzukommen. Also mir hilft natürlich auch die

00:43:12: Perspektive, dass wir immer wieder in kleinen Schrauben drehen können und Dinge verbessern

00:43:17: können. Also der Zukunft zugewandt ist und wir sind auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Das

00:43:24: ist schon auch eine Kraft, die motiviert und vor Verzweiflung und das so abstumpfung oder

00:43:31: ähnliches schützt, repräsident. Das Gefühl auch, dass man was bewegen kann. Wir haben eben schon

00:43:39: über den christlichen Glauben, über ihren christlichen Glauben gesprochen. Mir ist jetzt so in

00:43:44: der Vorrecherche nochmal aufgefallen, dass sie ja tatsächlich seit ihrer politischen Laufbahn,

00:43:49: zwar nicht massiv in Interviews immer über ihren Glauben gesprochen haben, aber dass sie sich

00:43:55: schon spürbar bemüht haben, Glaubensleben und politisches Leben irgendwie zusammenzubringen,

00:44:01: will ich mal sagen. Also sie sind Gründungsmitglied und theologischer Berater der Gruppe Christliche

00:44:07: Liberale, ehemaliger Vizesprecher der Christen in der FDP-Fraktion. Vielleicht trügt ja auch der

00:44:14: Schein, dann müssen sie mir das sagen. Aber warum ist Ihnen denn diese Verbindung zwischen Glaube und

00:44:20: Beruf, zwischen Glaube und Politik so wichtig? Also wenn Sie diese Ämter oder diese Funktionen

00:44:27: aufzählen, dann ist zunächst einmal bemerkenswert für mich, dass es anderen wichtig ist. Denn

00:44:32: diese Gruppen gäbe es nicht, wenn es nicht auch anderen wichtig wäre, dass man dann jemanden,

00:44:37: der theologische Bildung hat und eine pfarmtliche Buchserfahrung hat, vielleicht auch, sagen wir mal,

00:44:43: in leitende Funktionen wählt oder bestimmt. Das ist für mich irgendwo pragmatisch und

00:44:49: nachvollziehbar. Aber dahinter steckt, wie ich sagte, eine andere Beobachtung. Ich erlebe mit

00:44:56: der eigenen Partei aber auch in anderen Parteien, dass Menschen durch ihren christlichen Glauben

00:45:01: motiviert werden, Politik zu gestalten. Übrigens auch Christen in unterschiedlichen Parteien. Also

00:45:07: es gibt kein Parteiprogramm, dass die Fortschreibung des Evangeliums ist und das für sich in Anspruch

00:45:14: nehmen kann. Ich glaube, dass aber auch diejenigen und die reflektieren das, glaube ich, ein Stück

00:45:20: weit weniger als vielleicht christen oder, sagen wir mal, religiös gebundene Personen. Jeder macht

00:45:27: natürlich Politik auf der Grundlage von Werten. Viele sind sich diesen vielleicht auch gar nicht so

00:45:32: bewusst, wie diese Werte eigentlich genau definiert sind. Aber sie können immer identifizieren,

00:45:38: dass wir setzen ja recht. Also wir machen ja Gesetze sozusagen. Dass Gesetzeausfluss davon

00:45:46: sind, wie ich mir vorstelle, wie das Leben zum Beispiel von den Menschen richtig zusammen geregelt

00:45:50: ist und wo die Welt und wo die Gesellschaft hin soll. Das heißt, ich habe eine Waage oder auch

00:45:54: explizite Vorstellung davon, was für den Menschen die Menschheit, das Verhältnis Menschheit,

00:46:00: Schöpfung, auch wenn ich den Begriff vielleicht nicht so nenne, sondern Umwelt, Klima, sonst irgendwie,

00:46:05: was da das Richtige ist. Wir als Christen haben das Durchbuch stabiliert. Die unsere

00:46:12: Lehre sozusagen hat auf diese ganzen Fragen jahrhunderte lang Antworten gesucht und sie

00:46:17: buchstabiert, also regelrecht buchstabiert sozusagen. Also in Bekenntnisschriften und

00:46:24: Predigten und Ähnliches findet sich das alles. Bei den anderen ist es ein wenig durchbuchstabiert,

00:46:29: aber das ist ja das entscheidende. Menschen machen Politik aufgrund von Wertvorstellungen. Und

00:46:35: meine Wertvorstellungen sind eben christlich geprägt und das darf auch sichtbar werden.

00:46:42: Ich mache allerdings, und da bin ich natürlich ärztluteran, ich mache Politik auch für Menschen,

00:46:47: die nicht Christen sind. Deshalb glaube ich auch nicht, dass es richtig wäre. Mit dem Schwert hier

00:46:53: würde Luther sagen quasi eine christliche Gesellschaft, also quasi per Gesetz zu intronieren,

00:46:59: sondern die christliche Gesellschaft kommt durch die Predigt der Kirche und das wirken des

00:47:04: Heiligen Geistes und nicht durch das Gesetz, weil das Gesetz muss auch für alle diejenigen gerecht

00:47:09: sein, die nicht Christen sind. Das ist schon ein Teil der Antwort auf die Fragen, die sie gar nicht

00:47:15: gestellt haben, warum hier in der FDP bin. Das haben wir beim letzten Interview geklärt.

00:47:20: Wichtig ist mir das nochmal klar zu machen. Also Politik ist Gesetzgebung, Gesetze sind immer

00:47:32: Ausfluss von mehr oder weniger klar definierten Werten und die sind bei mir christlich.

00:47:38: Wir sprechen heute nicht darüber, warum Sie in der FDP sind. Ich kann gerne in den Shownotes

00:47:44: nochmal auf das ältere Interview verweisen. Aber ich bin ganz froh, dass wir nun tatsächlich bei der

00:47:50: Bundespolitik auch gelandet sind. Also waren wir vorher natürlich auch aber weg ein bisschen von

00:47:54: diesem Terrorismus-Thema und hin zur aktuellen Politik. Denn ich habe ja am Anfang in der Einleitung

00:48:00: gesagt, wir wollen auch ein bisschen über die FDP sprechen und vielleicht auch ein bisschen über

00:48:04: den Zustand der Ampel. Jetzt zum Ende des Gesprächs finden wir, glaube ich, noch ein bisschen Zeit

00:48:09: dafür. Ich habe auch nochmal in die alten Gespräche geschaut, die wir schon geführt haben. 2017,

00:48:17: nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen, haben sie zu mir im Interview gesagt, es gab keinen Weg

00:48:22: mit den Grünen. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern im Vorgespräch und gesagt, das war das

00:48:27: auch schon so lange her. Trotzdem, die Frage, fühlen Sie sich dieser Tage wieder genauso? Es gibt

00:48:32: keinen Weg mit den Grünen? Also, es ist offensichtlich, dass die Vorstellungen der drei Wählergruppen,

00:48:41: die sich durch die drei Fraktionen, die die Ampel-Koalitionen bilden, repräsentiert sehen. Also,

00:48:48: da gibt es wenig Übereinstimmungen dem, was jetzt für dieses Land der richtige Weg ist. Ich betone

00:48:54: das deshalb, weil wir immer in der politischen Berichterstattung so tun, als würden sich

00:48:59: Pascal Kober und Ricardo langstreiten. Das ist aber nicht so. Sondern wir streiten uns,

00:49:05: das heißt, wir diskutieren politische Möglichkeiten und bilden Kompromisse im Namen

00:49:10: von unseren Wählerinnen und Wählern. Und diese Wählerinnen und Wähler, wenn man sie auf die

00:49:16: gesamte Bundesogelik betrachtet haben, eben nicht eine einheitliche Meinung, sondern sehr unterschiedliche

00:49:21: Meinungen. Ganz auch anders beschreibe. Ich kriege Briefe von Menschen in meinem Wahlkreis,

00:49:25: die mir sagen, die FDP sollte jetzt mal irgendwie mehr für das Verbrenner aus tun und sollte beim

00:49:31: Klimaschutz dies das jenes verbieten. Und gleichzeitig habe ich Wähler aus meinem Wahlkreis

00:49:37: oder Bürger aus meinem Wahlkreis, die schreiben mir auch das Gegenteil. Also, er macht wie zu viel

00:49:42: Kompromisse mit den Grünen und mit der, sagen wir mal, regulierenden Klimapolitik. So, das sind

00:49:50: Konflikte, die unsere Gesellschaft hat, die sichtbar werden durch den politischen Streit. Und leider

00:49:55: wird nicht berichtet. Die Ampel hat jetzt mal die ganze Nacht wieder miteinander gerungen und doch

00:50:01: vorzeigbare Kompromisse im Namen einer sich nicht einigseinenden Gesellschaft erzielte. Sondern es

00:50:08: wird gesagt, die streiten. Und ich möchte jetzt zum nächsten Mal, und das ist, glaube ich, auch etwas,

00:50:14: wo wir als Christen gefordert sind. Also jetzt nicht als Christen in der Politik, sondern als

00:50:18: Christen in der Gesellschaft, die Kirchen, nochmal klar zu machen, um was es in einer Demokratie

00:50:23: eigentlich geht. Es geht um Verfahren, die Kompromissbildung ermöglichen. Und wir haben diese

00:50:31: Qualität, wir sind diese Koalition eingegangen, als es absehbar keine anderen Mehrheiten gab.

00:50:35: Es war schon von vornherein klar, dass, sprich dann, von der ersten Lage übergreifenden Koalition

00:50:40: auf Bundesebene, dass natürlich zwischen SPD und Grünen auf der einen Seite in vielen Fragen

00:50:46: größere Beeinstellungen sind und die FDP sozusagen, das meint man, Lage übergreifen,

00:50:51: sozusagen die Wege weiter sind. Trotzdem ist wesentlich auch zu berücksichtigen in der

00:50:57: Entwicklung dieser Regierung, dass wir Einflüsse von außen hatten, die die Politik unter enormen

00:51:04: Stress gesetzt hat. Herausforderungen, wie wir uns nicht hätten vorstellen können. Ich weiß nicht,

00:51:10: was dieser Regierung auf den Weg hätte bringen können, wahrnehmbar für die Betroffenen,

00:51:16: für die Bürgerinnen und Bürger, wenn wir nicht den Krieg in der Ukraine, wenn wir in der Folge

00:51:20: nicht die Frage der Energieknappheit und der damit einhergehende Inflation gehabt hätten,

00:51:27: mit der Flüchtlingsbewegung auch durch die Ukraine. Wir reden heute über so viele Menschen

00:51:31: im Bürgergeld, vergessen aber, dass ein ganz, ganz großer Teil die Menschen aus der Ukraine sind,

00:51:36: die wir auch gerne aufnehmen bei uns und vor allem von dem Krieg in der Heimat schützen.

00:51:41: Wer würde das denn wirklich ernsthaft in Frage stellen? Also, was wäre gewesen, wenn diese 60

00:51:47: Milliarden, das Bundesverfassungsgericht, als im Bundeshaushalt eingepreist, also nicht als

00:51:53: verfassungswidrig Börtheit hätte? Dann wären viele, sagen Kompromissbildungen auch möglich gewesen,

00:51:59: wenn man Dinge und Lösungen hätte bezahlen können, muss man sozusagen. Und weil die Spielräume

00:52:04: insgesamt extrem eng sind, die Aufgaben aber unglaublich groß sind, also die einstürzende Brücke

00:52:10: in Dresden, die ist ja nicht in den letzten drei Jahren marode geworden. Sie haben den

00:52:15: besseren Griff in Mannheim angesprochen. Der Täter war weit vor der Ampel in Deutschland

00:52:21: eingereist. Wir haben über Solingen gesprochen. Der Täter war auch vor der Ampel eingereist. Das heißt,

00:52:26: wir haben, um diese Beispiele zu nennen, können über die Bundeswehr, die Infrastruktur und vieles

00:52:31: weiterreden, die Aufgaben sind einfach riesig, die der Ampel übernommen hat. Das spielt dann auch

00:52:36: noch eine Rolle. Und dazu gehört eben, wie gesagt auch, dass die Lösungsmöglichkeiten auf

00:52:43: dieser Ausforderung von der Gesellschaft und der Folge auf von der sich repräsentierenden

00:52:48: unterschiedlichen Fraktionen, Parteien ganz unterschiedlich gesehen wird und zum Kompromiss

00:52:52: werden muss. Und trotzdem ist doch, genau das haben wir gerade nochmal angesprochen, die Gretchenfrage

00:52:56: ist doch bei allem, was ich Ihnen auch durchaus abkaufe und glaube, dass da viele Aufgaben sind,

00:53:02: dass wenig Geld da ist, dass große Herausforderungen von außen auf die Koalition natürlich einschlagen.

00:53:09: Aber ist denn ein Kompromiss überhaupt noch möglich? Also ihr Parteifizschech Wolfgang Kubicki

00:53:16: hat sich ja dazu hinreißen lassen, ich glaube auch nicht zum ersten Mal zu prognostizieren,

00:53:21: dass die Ampel nicht überleben wird und sogar nicht dieses Jahr überleben wird. Das weiß ich

00:53:27: nicht, ob sie ihren Parteifizze widersprechen wollen oder auch nicht. Aber ja, ist ein Kompromiss

00:53:33: noch möglich und könnte es tatsächlich passieren, dass wir das Ampel aus vor der regulären Legislaturperiode,

00:53:40: vor dem Ende der regulären Legislaturperiode sehen. Das wird der kommende Bundeshaushalt,

00:53:47: also die kommenden Wochen, wird das entscheiden. Denn der Bundeshaushalt ist ja nicht ein Politikfeld

00:53:52: neben allen anderen, sondern das ist im Grunde die Grundlage für alle Politikfelder, weil da mit

00:53:57: die Prioritäten in den verschiedensten Politikfeldern gelegt werden. Wenn wir da zu einem Kompromiss kommen

00:54:03: für den Bundeshaushalt, hätten wir auch ein Kompromiss über alle Politikfelder getroffen,

00:54:07: wie wir das nächste, also das kommende Jahr dann gemeinsam gestalten können und würden. Das ist

00:54:14: aber nicht selbstverständlich. Im Moment sind die Vorstellungen davon, was für das Land richtig ist.

00:54:19: Ich komme nochmal auf diese Frage zurück, sehr, sehr unterschiedlich. Und wenn diese Unterschiede

00:54:24: sich in den Haushaltsverhandlungen nicht zu einem Kompromiss finden, zusammenbinden lassen, dann

00:54:29: wäre das das Ende dieser Regierung. Das betone aber das deshalb so langsam, weil es nicht unbedingt

00:54:36: Neuwahlen bedeuten würde. Das ist ja bei vielen Bürgerinnen, merke ich, die Bürgern merke ich nicht

00:54:42: so präsent, nur weil die Regierung, wenn einer der drei Partner oder zwei der Partner aus der

00:54:48: Regierung austreten, heißt es noch nicht, dass es Neuwahlen gibt. Und sofern wir dann noch die

00:54:51: zweite Frage zu beantworten, wie ist das dann vorgezogen, Neuwahlen? Könnte sein. Wäre für die

00:54:57: FDP in derzeitigem Zustand nicht hilfreich, würde ich was sagen. Sie knabbern ja an der 5%-Hörderung.

00:55:04: Also wir kennen unsere Wählerinnen und Wähler mittlerweile sehr gut. Das heißt, wenn sie sich

00:55:09: anschauen, wie die Umfrageergebnisse vor den letzten Wahlen sich entwickelt haben, dann müssen wir

00:55:15: einfach zur Kenntnis nehmen, unsere Wählerinnen und Wähler warten zu einem großen Teil ab bis

00:55:20: kurz vor der Wahl oder bis zum Wahljahr, wie sie sich entscheiden. Also wir waren auch bei 5%

00:55:25: im Jahr vor der Bundestagswahl 2021. Also im August 2020 waren wir bei 5%, wir waren in der

00:55:33: Opposition, haben keinen Kompromiss eingehen, müssen haben alles. Wenn sie so wollen, FDP pur

00:55:38: kommunizieren können und trotzdem waren wir nur bei 5%. Wir waren sogar kurz nach der Thüringenwahl

00:55:44: bei 4%. Dann erst mit Beginn 2021, also mit dem Beginn des Wahljahres, stiegen wir dann so

00:55:51: sukzessive 7%, 8% und schlossen dann mit über 11% ab. Das ist eine eigene Art, unsere Wählerinnen

00:55:58: und Wähler. Entscheidet ist und das unterscheidet es von 2013. 2013 ist die FDP aus dem Bundestag

00:56:05: geflogen. Sie sprachen es an, die vier Jahre, in denen ich dann in der Militärsealsorge war. Das

00:56:10: hängt damals damit zusammen, dass die Menschen gesagt haben, der FDP trauen wir nicht zu in

00:56:16: der nächsten Regierung oder überhaupt im Parlament eine vernünftige Rolle zu spielen. Das

00:56:21: hatte etwas damit zu tun, dass wir uns intern komplett zerstritten hatten und auch in den

00:56:26: programmatischen Themen blank waren. Beides ist im Moment nicht zu erwarten. Also wir streiten

00:56:34: nicht intern. Für was die FDP im Schwerpunkt steht, wird täglich sichtbar, nämlich in

00:56:41: den, was manch als Streit bezeichnen oder wir als schwierige Kompromissbildung. Das heißt,

00:56:47: die Perspektive oder die Richtung, was die FDP quasi in den Diskussionen kommt,

00:56:53: ist für die Menschen immer noch klar erkennbar. Das hat etwas zu tun mit haushaltspolitischer

00:56:57: Konsolidierung, Entlastung, Entbürokratisierung und Ähnlichem. Das ist erkennbar. Viel wird

00:57:05: davon abhängen, welches große Thema nächstes Jahr bestimmend sein wird. Das wird in der

00:57:10: Vorraussicht nach die wirtschaftliche Erholung der Bundesrepublik sein als großes Thema in der

00:57:15: Bundestagswahl. Da wissen wir, sind die Kompetenzzumessungen bei der FDP sehr hoch. Deshalb bin

00:57:22: ich jetzt aus sehr rationalen und sehr weltlichen Gründen sehr zuversichtlich, dass die FDP gut

00:57:29: aufschneiden wird bei der nächsten Bundestagswahl. Aus weltlichen Gründen. Aber ein Gebet können

00:57:33: Sie trotzdem mal hochschicken, dass die FDP vielleicht dann den Einzug schafft. Tatsächlich

00:57:38: bete ich nicht für politische Erfolge. Das ist so von meiner Gottesbeziehung oder von meiner

00:57:48: theologischen Warte her nicht eingepreist sozusagen. Das hat doch eben schon mit klugen

00:57:55: politischen Handeln zu tun und das ist jetzt nicht Aufgabe des lieben Gottes. Weil ja auch,

00:58:01: und damit ich auch mal darauf hinweisen, ich habe es vorhin schon angesprochen, der liebe Gott,

00:58:06: ist man sozusagen, man kann es auch anders sagen. Also vorhin habe ich gesagt, es gibt nicht ein

00:58:11: Parteiprogramm, dass wir sich in Anspruch nehmen könnten, die Fortschreibung des Evangeliums

00:58:14: zu sein. Es ist alles unter Vorbehalt der menschlichen, also eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten.

00:58:21: Zwar bin ich überzeugt davon, aber ich würde nie in Anspruch nehmen, sagen zu können, dass es Gottes

00:58:27: Wille, dass die FDP jetzt ihre Positionen umsetzt. Und wenn ein anderer mit einer anderen politischen

00:58:32: Meinung, also jemand einer, sagen, eine andere Partei oder Unterstützer einer Partei käme und

00:58:37: sagen würde, so und so steht es aber in der Bibel und deshalb ist die Partei richtig. Das hüte ich

00:58:42: für grob, theologisch grob falsch. Also unsere Erkenntnismöglichkeiten sind vorläufig, man kann

00:58:49: gute Gründe aus dem Evangelium und aus den Bekenntnischkräften ableiten, warum man bei bestimmten

00:58:54: politischen Richtungen im Prinzip mit dem Grunde nach den Werten nach anhängt. Aber ich sage jetzt mal,

00:59:01: wie sie die Inflation bekämpfen, ist eine ökonomische Frage. Die Volkswirtschaft ist übrigens auch

00:59:07: keine exakte Wissenschaft. Also davon greifen wir da ja auch, der letzten Endes, auf Erfahrungswerte

00:59:12: zurück, ist aber keine Frage des Evangeliums. Und deshalb sollten wir das auch in den Instrumentalisieren.

00:59:18: Und ich glaube, dass es gibt genügend Gründe und Anlässe und Themen, zu denen man beten kann,

00:59:25: vor allen Dingen Menschen, für die man beten kann. Da habe ich genügend zu beten.

00:59:30: Eine letzte Frage vielleicht noch, bevor ich sie dann in ihren Bundestagsalltag hier wieder entlasse.

00:59:38: Sie haben das gerade schon angesprochen, Politik ist keine Frage des Evangeliums. Nun gibt es

00:59:46: derzeit eine Frage, die für viele Christen, besonders konservative Christen, zumindest in die Nähe rückt.

00:59:52: Ich sage das so ein bisschen auch im Scherz, aber die für viele einfach sehr wichtig ist. Und das

00:59:58: ist die mögliche Abschaffung des Paragraphen 218. Sie haben auch eben gesagt, ihre Partei oder ihre

01:00:06: Fraktion streitet nicht. Ich zumindest intern nicht. Ich nehme sie aber in dieser Frage zumindest als

01:00:14: nicht einhellig wahr. Also die Frage soll das Abtreibungsverbot fallen oder nicht. Da ist die

01:00:23: SPD sehr entschieden, da sind die Grünen sehr entschieden, die FDP, da hört man einfach verschiedene

01:00:29: Stimmen. Und ich möchte besonders Ihnen, weil sie ja nun auch Pfarrer sind und weil sie auch

01:00:33: evangelisch sind, eben diese Frage mal stellen. Wie sehen Sie das? Glauben Sie, es könnte zu

01:00:42: einer Abschaffung des 218 kommen? Erster Teil der Frage. Zweiter Teil der Frage wäre das in

01:00:48: ihrem Sinne oder gehört der unangetastet? Zunächst einmal noch mal zur Präzisierung. Es ist was

01:00:54: anderes, ob man Uminhalte in einer Partei ringt. Also das heißt streitet, wie Sie es bezeichnet haben

01:01:00: oder ob eine Partei sehr stritten ist. Also da ist nochmal ein Unterschied. Ja hoffentlich diskutieren

01:01:06: wir auch innerhalb der Parteien und zwar auch innerhalb jeder Partei und Sie sprechen Fragen

01:01:11: des Lebensschutzes an. Da war ich in vielen Fragen Sterbehilfe oder ähnliches weder allein mit

01:01:17: meiner Position innerhalb der FDP noch Mehrheit der FDP. Jetzt hier geht es ja um die Frage,

01:01:23: Sie sagen Paragraph 218 abschaffen. Da geht es ja um die Frage, soll das Abtreibungsrecht weiterhin

01:01:28: im Strafrecht verankert sein? Und da ist nach meiner Erkenntnis, also nach meinem Wissen der Zeit die

01:01:37: Mehrheitsmeinung innerhalb der FDP eindeutig, dass es dort verbleiben soll, wohingegen in unseren

01:01:41: beiden Partnern, bei unseren beiden Partnern, hier mehrheitlich eine andere Meinung vertreten

01:01:48: würden. Und dafür gibt es gute liberale Gründe. Für das Verbleiben im Strafrecht? Dann erhören Sie?

01:01:55: Ich, wie übrigens auch viele andere Lebensschutzfragen unter liberalen Aspekten,

01:02:00: immer durchbuchstabiert habe. Weil stichwort, es geht ja nicht darum, einen Gesetz zu machen,

01:02:06: dass nur den Christen nicht in Glauben präsentiert, sondern es muss ja für alle richtig sein. Und

01:02:12: deshalb sind die Fragen des Lebensschutzes immer damit verbunden. Öterfrage, welchen Menschen

01:02:19: bzw. welches Stadium von Mensch schützt der Staat in welcher Weise? Und das geht dann damit einher,

01:02:27: dass der Staat letzten Endes unter Umständen Kategorisierungen einzieht, bei Menschen,

01:02:32: bei menschlichem Leben, also zum Beispiel nach alter Entwicklungsstand. Und das habe ich immer

01:02:39: abgelehnt. Und dazu tiefst liberalen Gesichtspunkten. Also was ein liberaler Staat, der ja immer,

01:02:44: liberalismus geht ja sozusagen von dem Grundimpuls aus, dass der Mensch erstmal seine Rechte hat

01:02:52: und ein Teil seiner Rechte sozusagen an den Staat einschränkend abgibt. Das wäre eine

01:02:59: völlige Verkehrung nach meiner Vorstellung. Nach meinem Verständnis des Liberalismus,

01:03:04: wenn der Staat Mensch sein Zuteilen dürfe, sondern man muss es annehmen. Der Staat darf nicht

01:03:10: entscheiden, wer sein Mensch ist, also wer sein Bürgerin ist. Und die ganze Thematik der Abtreibung

01:03:16: bzw. das Schwangerschaftsabbruchs, da sind wir natürlich schon den ganzen Weg gegangen in der

01:03:20: Gesellschaft. Der lebt natürlich davon, dass ich sage also, welche Regelungen einführe ab drei

01:03:25: Monate oder bis drei Monate oder spätabtreibungen in bestimmten Fällen. Er lebt davon, dass ich

01:03:32: Leben anfange sozusagen zu kategorisieren, also zu definieren, weil besser ausgedrückt. Also

01:03:39: der Schutzstatus ist nach drei Monaten, anderer als vor drei Monaten. Deshalb habe ich diese ganzen

01:03:45: Fragen immer aus meiner Perspektive, immer sehr liberal durch Buch, stabiliert und dafür

01:03:49: geworben nicht immer die Mehrheiten bekommen. Das ist richtig. So in der Frage habe ich sie aber

01:03:53: offensichtlich auf meiner Seite bzw. ein Teil der Mehrheit, die sagt, dass der Lebensschutz muss

01:03:59: auch... Also es sind zwei Argumente, die die Mehrheit in der FDP hier bilden oder motivieren. Das eine ist

01:04:05: natürlich immer dieses Argument, das auch nicht zu unterschätzen ist des gesellschaftlichen

01:04:09: Konsenses. Der Hart sozusagen erstritten worden ist in der Geschichte. In den vergangenen Jahrzehnten,

01:04:17: und den man nicht einfach sozusagen auflösen sollte, das ist das eine. Das andere ist aber

01:04:22: strafrecht. Jeder um die Frage, soll es ihm strafrecht verbleiben, ist eben die Frage,

01:04:27: ob eine Frage von so einer Dimension, also Lebensschutz, also der auch, der werdende Mensch in

01:04:34: seinen Entwicklungsphasen ist immer noch ein menschliches Leben, selbst wenn man da jetzt

01:04:38: den Entwicklungsstufen unterscheidet, oder wenn man... Und das ist ein so hohes Gut,

01:04:45: dessen Regelungen, also Leben oder Nichtleben, Sache des Strafrechts bleiben muss, um die

01:04:52: Bedeutung und den Wert sozusagen auch nochmal deutlich zu unterstreichen. Und beide Argument

01:04:59: führen dazu, dass die FDP der einen Moment diejenigen sind in der Koalition, die in der

01:05:04: Bremsen, den Paragraph 218 aus dem, oder die Regelung, die Schwangerschaftsabwurre aus

01:05:11: dem Strafgesetzbuch herauszustreichen. Nun könnte es ja dennoch passieren, dass die Abstimmung so

01:05:19: sie denn kommt, wovon ich im Moment aber ausgehe, dass sie in dieser Legislatur noch kommt. Korrigieren

01:05:24: sie mich, wenn sie das anders sehen, dass die Abstimmung freigegeben wird und dass das eben

01:05:29: nicht mehr darum geht, kann die Ampel sich irgendwie einigen auf etwas, sondern dass die

01:05:34: Abgeordneten völlig frei unabhängig von ihrer Fraktion dann abstimmen. Glauben Sie,

01:05:41: sollte es zu der Abstimmung kommen, dass der 218 fällt oder nicht? Sie dürfen sich in Profitie

01:05:46: üben? Ich übe mich nicht in Profitie, die ich gebe, ist mir nicht verlieben. Oder im Zählen. Ich weiß

01:05:56: jetzt auch nicht. Ich kann es nicht einschätzen. Erst mal würde ich davon ausgehen, dass es zu

01:06:01: keiner Entscheidung kommt, diese Legislaturperiode. Das wäre meine Prognose. Weil die FDP sich reinhängt,

01:06:09: das zu bremsen? Ja, der Bundesjustizminister hat ja schon deutlich gemacht, dass es aus dem

01:06:14: Kabinett keinen Regelungsvorschlag geben wird, dann bleibt sozusagen die Variante, dass das

01:06:19: Parlament sich selber ein Gesetzvorschlag schreibt sozusagen. Das gibt ja diese Möglichkeit auch

01:06:25: und dazu brauchen sie aber eben auch eine Mehrheit innerhalb der Regierungskoalition. Ich habe ja

01:06:32: schon über die Mehrheiten innerhalb der FDP-Fraktion gesprochen, das heißt, da wird es jedenfalls

01:06:36: kein Konsens geben und auch bei der Frage geben wir die Abstimmung frei, müssen ja alle Fraktionen

01:06:42: auch miteinander da einvernehmen, erzielen. Ich weiß nicht, ob zum Beispiel das so jetzt im Interesse

01:06:50: der Sozialdemokraten ist. Also sie erscheinen da zumindest sehr entschieden. Mit diesen Worten

01:07:00: auch, wenn es keine sehr tragenden Schlussworte sind. Aber vielen Dank, Koba, möchte ich sie entlassen.

01:07:06: Aus diesem sehr netten Gespräch. Wir haben über Fragen von Leben und Tod und Politik gesprochen

01:07:12: und haben das irgendwie alles unter einen Hut bekommen. Das ist auch nicht selbstverständlich.

01:07:16: Ja, ich wünsche Ihnen alles Gute für die Tage, die jetzt kommen und danke, dass Sie bei uns waren.

01:07:20: Ja, vielen Dank und danke, dass Sie mich zu einem Gespräch eingeladen haben,

01:07:24: auch über solche Themen zu sprechen und auch eine Art und Weise über Themen zu sprechen,

01:07:28: über die Medien normalerweise nicht so berichten und für diese vor allem nicht so viel Zeit mitbringen.

01:07:34: Danke für die Blumen, das tun wir gerne.

01:07:36: [Lachen]

01:07:38: [Musik]

01:07:41: Copyright WDR 2021

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