(35) Wie hält es die Linke mit Israel? / Zukunft des Staatskirchenrechts. Mit Bodo Ramelow
Show notes
Bodo Ramelow – zehn Jahre lang erster und bisher einziger Ministerpräsident der Linkspartei, bekennender Christ und nun Bundestagsvizepräsident. Nicolai Franz hat ihn in seinem Erfurter Büro getroffen – kurz nach seiner Rückkehr aus Israel und einer Audienz beim neuen Papst Leo XIV.
Ramelow spricht über die Lage im Nahen Osten, den Umgang mit dem Hamas-Terror und die Rolle, die Glauben und Moral in der Politik spielen. Er beschreibt, was ihn an der Begegnung mit dem Papst beeindruckt hat – und warum er als Linker an der Kirche festhält, obwohl sie für viele in seiner Partei keine große Bedeutung hat. Er äußert sich auch über Antisemitismus in den eigenen Reihen – und wie er selbst damit umgeht.
Ein Gespräch über Religion als politische Kategorie, über Macht und Gewissen – und über einen Politiker, der seinen Glauben weder versteckt noch instrumentalisiert.
Show transcript
Nicolai Franz: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Glaube macht Politik.
Nicolai Franz: Alle Bundestagsfraktionen haben ja religionspolitische Sprecher.
Nicolai Franz: Das sind also die Politiker, die die Ansprechpartner sind für Kirchen und für
Nicolai Franz: Religionsgemeinschaften und die sich um so ziemlich alles kümmern,
Nicolai Franz: was mit Religion zu tun hat.
Nicolai Franz: Und so freue ich mich, dass ich heute bei Bodo Ramelow sein kann und mit ihm
Nicolai Franz: sprechen kann, hier in Erfurt in seinem Wahlkreisbüro.
Nicolai Franz: Und Bodo Ramelow ist ja ein sehr außergewöhnlicher Politiker,
Nicolai Franz: auch innerhalb der Linkspartei ist er ein außergewöhnlicher Politiker.
Nicolai Franz: Er regierte zehn Jahre lang als erster Ministerpräsident der Linkspartei,
Nicolai Franz: den Freistaat Thüringen, er ist sowieso überhaupt der erste Ministerpräsident
Nicolai Franz: der Linkspartei in ganz Deutschland und das auch noch als gebürtiger Westdeutscher.
Nicolai Franz: Ja, außerdem ist er auch Christ, was für die Linkspartei auch nicht unbedingt
Nicolai Franz: so zur DNA gehört, zumindest.
Nicolai Franz: Jetzt sitzt er seit 2025 seit der Mission Silberlocke, zu der er auch gehört.
Nicolai Franz: Sitzt er im Bundestag und ist dort Vizepräsident des Parlaments und eben auch
Nicolai Franz: religionspolitischer Sprecher seiner Fraktion der Linken.
Nicolai Franz: Bei kaum einem Thema ist Politik ja so stark mit Religion verknüpft,
Nicolai Franz: wie das beim Nahostkonflikt ist.
Nicolai Franz: Und Bodo Ramelow, der mir gerade jetzt gegenüber sitzt, der ist gerade erst
Nicolai Franz: von einer Reise zurückgekehrt von Israel.
Nicolai Franz: Außerdem hat er auch noch den Papst Leo XIV. getroffen, in einer Generalaudienz.
Nicolai Franz: Darüber und noch über einige andere Dinge will ich heute mit ihm reden und eben
Nicolai Franz: auch, was das so bedeutet für ihn als religionspolitischer Sprecher der Linkspartei
Nicolai Franz: oder der Linksfraktion zu arbeiten im Bundestag.
Nicolai Franz: Und es geht natürlich auch um seinen persönlichen Glauben. Herr Ramelow,
Nicolai Franz: welche Eindrücke bringen Sie denn jetzt aus Israel mit?
Nicolai Franz: Was beschäftigt Sie vielleicht noch?
Bodo Ramelow: Ich glaube, das, was ich an Eindrücken mitgebracht habe, wird mich noch länger beschäftigen.
Bodo Ramelow: Wir haben als Bundestagspräsidium am 7. Oktober im Bundestag mehrere Veranstaltungen
Bodo Ramelow: gehabt, wir haben am 7. Oktober auch,
Bodo Ramelow: Die Angehörigen der Geiseln, die deutsche Staatsbürger sind,
Bodo Ramelow: deren Vertreter im Bundestag empfangen als gesamtes Präsidium.
Bodo Ramelow: Und Julia Klöckner hat auch mit vorbereiten
Bodo Ramelow: lassen, dass wir eine große Israel-Kunstausstellung an dem Tag eröffnen.
Bodo Ramelow: Faktisch eine Wiedereröffnung, weil das sind die Kunstwerke,
Bodo Ramelow: die zu 50 Jahren diplomatischer Beziehung Bundesrepublik Israel damals angekauft worden sind.
Bodo Ramelow: Und die hat das Präsidium extra wieder zusammenstellen lassen,
Bodo Ramelow: damit wir das am 7. Oktober mitzeigen.
Bodo Ramelow: Und Julia Klöckner ist dann noch im Tempelhofer Feld gewesen und hat dort die
Bodo Ramelow: Ausstellung zum NOVA-Festival, also da, wo das Massaker von der Hamas begangen worden ist, eröffnet.
Bodo Ramelow: Und am Abend haben wir gemeinsam den Film gezeigt im Bundestag über die Schreie nach der Stille.
Bodo Ramelow: Ein Dokumentarfilm über das Massaker am NOVA-Festival.
Bodo Ramelow: Das habe ich alles im Kopf gehabt, als ich vor 24 Stunden auf dem NOVA-Gelände gestanden habe.
Bodo Ramelow: Ich habe in die Gesichter geschaut der Fotos.
Bodo Ramelow: Da sind an jedem Baum, der neu gepflanzt ist, jetzt ein Foto angebracht.
Bodo Ramelow: Man sieht auf einmal die...
Bodo Ramelow: Menschen in ihrer Lebensfreude, die ihr ganzes alles zerstört bekommen haben
Bodo Ramelow: und die Familien damit auch einen Traum zerstört bekommen haben.
Bodo Ramelow: Auf jedem dieser Bilder sieht man den Traum, wie sie am Tanzen sind, wie sie fröhlich sind.
Bodo Ramelow: Und diese Vorstellung, die ich im Kopf dabei hatte, was die Frauen geschildert
Bodo Ramelow: haben in dem Film, was da wirklich passiert ist, die Art der Brutalität.
Bodo Ramelow: Und dazu bedurfte es nicht einmal der Bilder, die waren alle verpixelt,
Bodo Ramelow: sondern die Erzählung war schon so, dass es einen umhaut, mit welcher Brutalität,
Bodo Ramelow: mit welcher Menschenverachtung die Hamas-Mörder gezielt Frauen nicht nur ermordet
Bodo Ramelow: haben, sondern vorher erniedrigt, zerstört,
Bodo Ramelow: vergewaltigt und auch körperlich zerstört haben.
Bodo Ramelow: Um alles das, was auf diesem Nova-Festival getanzt worden ist,
Bodo Ramelow: die Rafer, die da ihre Musik gefeiert haben, ihr Leben gefeiert haben,
Bodo Ramelow: dass das von den Tätern auch verachtet wird.
Bodo Ramelow: Und diese systematische Zerstörung, das habe ich alles im Kopf,
Bodo Ramelow: als ich dort übers Gelände gelaufen bin.
Bodo Ramelow: Und während ich dort übers Gelände laufe, höre ich schweres Maschinengewehrfeuer.
Bodo Ramelow: Und man sieht ja, wenn man sich durch die Negerfüste bewegt und auf das Nova-Festival-Gelände
Bodo Ramelow: zufährt, hat man eine bestimmte Stelle, wo man auch Gaza-Stadt sieht.
Bodo Ramelow: Also man sieht auch die Zerstörung und diese Wechselgefühle, die mich da umtreiben.
Bodo Ramelow: Andererseits, und das ist diese andere Geschichte, ich bin ja nach Tel Aviv,
Bodo Ramelow: nach Israel gefahren, nach Tel Aviv geflogen und dann nach Jerusalem gefahren,
Bodo Ramelow: weil die Benediktinerabtei und Abt Schnabel mich eingeladen hatten,
Bodo Ramelow: ich solle die Laudatio für den Mount Zion Friedenspreis halten für vier Beduinen,
Bodo Ramelow: die aus dieser Negevwüste sind.
Bodo Ramelow: In dieses Nova-Festival während des Massakers gefahren sind und haben 40 Menschen gerettet.
Bodo Ramelow: Also vier Muslime, die überhaupt nicht darüber nachdenken,
Bodo Ramelow: was das für sie bedeuten kann, dass das mörderisch ist, was sie gerade erleben,
Bodo Ramelow: die aber die Gewalt sehen und mit ihren Pickups dort reinfahren und alles,
Bodo Ramelow: was sie greifen können an Menschen, einfach in die Pickups holen und wegfahren,
Bodo Ramelow: rausfahren, damit sie schnell genug von den Mördern wegkommen.
Bodo Ramelow: Und auch diese Geschichte von den vier Beduinen hat mich so bewegt.
Bodo Ramelow: Das war der Grund, warum ich dann auch geflogen bin.
Bodo Ramelow: Und wir sind dann auch gemeinsam, die Mönche, die Benediktiner von der Abtei,
Bodo Ramelow: wir sind am nächsten Tag gemeinsam in die Negerfüste gefahren.
Bodo Ramelow: Einerseits in das Nova-Festival-Gelände, aber dann sind wir zu der Familie der
Bodo Ramelow: Beduinen gefahren und haben dort ein wunderbares gemeinsames Essen gehabt.
Bodo Ramelow: Aber die Cousins haben noch mal erzählt, was sie selber erlebt haben, wie sie es erlebt haben.
Bodo Ramelow: Und dann so ihre Botschaft, also wir waren jetzt eine ganze Gruppe von Christen, also überwiegend.
Bodo Ramelow: Ich denke so drei Viertel der Reisegruppe waren Christen, der ein oder andere
Bodo Ramelow: Jüdinnen und Jude dabei.
Bodo Ramelow: Und dann erzählen uns diese ganze Familienmitglieder, dass sie als Moslems sich
Bodo Ramelow: nicht als Moslems definiert haben, sondern als Menschen, die einfach gesehen
Bodo Ramelow: haben, dass menschliches Leid da ist.
Bodo Ramelow: Und das ist das, was mich so berührt hat. Und deswegen sage ich,
Bodo Ramelow: ich spüre, dass es beides gibt.
Bodo Ramelow: Es gibt im Moment eine tief verwurzelte Schmerzentwicklung, Die aber auf der
Bodo Ramelow: palästinensischen Seite durch sehr viele getötete Zivilmenschen und auf der
Bodo Ramelow: jüdischen Seite, weil jeder einen in der Familie hat,
Bodo Ramelow: der jemanden kennt oder der betroffen ist und auch zu der Kirche.
Bodo Ramelow: Was ich noch zu verarbeiten habe, gehört eben auch, dass ich in der jüdischen
Bodo Ramelow: Gemeinde war, mit der ich seit 17 Jahren verbunden bin und der Kantor sagt.
Bodo Ramelow: Unsere Seele ist so voller Schmerz, wir haben keinen Platz für den anderen Schmerz.
Bodo Ramelow: Und dann spüre ich, wie weit der Weg ist, dass man Worte wie Vergebung und Versöhnung
Bodo Ramelow: überhaupt nur denken kann. Also dazu sind die Wunden noch viel zu frisch und die Konfliktlinien.
Bodo Ramelow: Ich bin froh, dass mit dem Trump-Plan zumindest die militärische...
Bodo Ramelow: Unterbrechung eingetreten ist, auch wenn sie nicht vollzogen worden ist,
Bodo Ramelow: denn heute ist es wieder bombardiert worden.
Bodo Ramelow: Und mit Bomben löst man das Thema nicht, sondern der weitere Teil des Plans
Bodo Ramelow: ist notwendig, nämlich die Entwaffnung der Hamas und den Umbau des Gazas,
Bodo Ramelow: sodass es überhaupt eine Chance gibt, mit internationalen Kräften dort,
Bodo Ramelow: und das heißt auch mit den arabischen Nachbarländern zusammen,
Bodo Ramelow: braucht es eine andere Perspektive,
Bodo Ramelow: damit Gaza sich überhaupt entwickeln kann.
Nicolai Franz: Das eine ist ja, dass man diese Nachrichten, die wir alle sehen,
Nicolai Franz: also sowohl auf Social Media als auch in klassischen Nachrichtenkanälen,
Nicolai Franz: Zeitungen und so, dass man das irgendwie so wahrnimmt und ja,
Nicolai Franz: man ist auch so ein bisschen durchaus auch ergriffen, wenn man dann Geschichten
Nicolai Franz: hört und liest und auch sieht.
Nicolai Franz: Aber sie waren jetzt ja wirklich vor Ort auf diesem Platz, wo dieses furchtbare
Nicolai Franz: Massaker, was ja der größte Angriff auf Juden, gezielt auf Juden war, seit der Shoah war.
Nicolai Franz: Wo man als Deutscher vielleicht auch nochmal anders drauf schaut.
Nicolai Franz: Inwiefern war das anders, als sie da wirklich vor Ort waren und das auch das
Nicolai Franz: Gewehrfeuer natürlich auch gehört haben, aber eben auch gesehen haben hier,
Nicolai Franz: das ist jetzt auch Realität, was man auch spüren kann vielleicht.
Bodo Ramelow: Ich habe extra den 7. Oktober im Deutschen Bundestag erwähnt,
Bodo Ramelow: weil schon der Film eine notwendige Zumutung ist, wenn man als Mensch fühlen
Bodo Ramelow: will, was da wirklich passiert ist.
Bodo Ramelow: Wenn man die Dimension des Schreckens verstehen will, muss man sich so etwas
Bodo Ramelow: auch gestatten, auf sich wirken zu lassen.
Bodo Ramelow: Es ist harter Tobak, aber die Frauen erzählen das, was sie gesehen haben,
Bodo Ramelow: was sie gespürt, was sie gefühlt haben. Und dazwischen dann die vier Beduinen,
Bodo Ramelow: die einfach wahllos sind.
Bodo Ramelow: Das lebendige Körper greifen, um sie in die Pickups zu holen, um sie wegzubringen.
Bodo Ramelow: Denn wenn man auf dem Gelände ist, merkt man auf einmal, was es heißt,
Bodo Ramelow: wenn da hunderte von Angreifern einfach als Mordbestie über ein Festival einbrechen.
Bodo Ramelow: In meinem Kopf ist dann Sonne, Mond, Sterne, Festival an der Bleilochtalsperre.
Bodo Ramelow: Das ist die Musik, da sehe ich, dass wenn die einmal im Jahr kommen,
Bodo Ramelow: dann ist das eine außergewöhnliche Zeltstadt.
Bodo Ramelow: Dann sind da ein paar Tage wirklich, wackeln die Wände vor Musik und ich stelle
Bodo Ramelow: mir vor, in so etwas gehen einige hundert Mörder rein und dann merkt man die Dimensionen.
Bodo Ramelow: Ja, das war für mich nochmal ein wichtiges Element, um auch die Trauer auf der
Bodo Ramelow: israelisch-jüdischen Seite zu spüren, aber eben auch zu merken,
Bodo Ramelow: dass jenseits dieser Trauer es auch eine Perspektive braucht.
Bodo Ramelow: Weil Trauer muss zugelassen sein und sie muss verarbeitet werden können,
Bodo Ramelow: damit Schmerz verarbeitet wird.
Bodo Ramelow: Insoweit geht es jetzt auch noch um die 13 getöteten Geiseln,
Bodo Ramelow: deren Körper immer noch fehlen.
Bodo Ramelow: Ich will es mal so sagen, ich bin vor fünf Wochen in Warschau gewesen,
Bodo Ramelow: zu 60 Jahren Ostdenkschrift der EKD.
Bodo Ramelow: Und ich hatte die Ehre, im SEMAS dazu eine Rede zu halten und den Bundestag zu vertreten.
Bodo Ramelow: Und wenn ich mir vorstelle, dass vor 60 Jahren, als die EKD diese Denkschrift verfasst hat,
Bodo Ramelow: waren die Wunden derer, die ermordet worden sind, die Wunden derer,
Bodo Ramelow: die vertrieben worden sind, die Wunden derer, die ihre Heimat verloren haben,
Bodo Ramelow: Auf allen Seiten, das sind ja nicht nur die Deutschen, die dann vertrieben worden sind nach 1945,
Bodo Ramelow: sondern auch die Polen, die vertrieben worden sind, weil ein Teil Polens ja
Bodo Ramelow: von der Sowjetunion okkupiert und annektiert worden ist.
Bodo Ramelow: Und vor 60 Jahren, also 1965.
Bodo Ramelow: War es fast ein Wunder, dass diese Denkschrift auf einmal die Worte Vergebung
Bodo Ramelow: und Versöhnung thematisiert und die polnischen katholischen Bischöfe antworten
Bodo Ramelow: mit tatsächlich am Ende der Formel Vergebung und Versöhnung.
Bodo Ramelow: Und daraus entsteht etwas, was später mit Willy Brandts Kniefall beendet worden ist.
Bodo Ramelow: Und wenn du in Warschau stehst und weißt, diese ganze Stadt war zerstört,
Bodo Ramelow: die Deutschen haben diese Stadt vom Erdboden getilgt, dann ist das ähnlich wie
Bodo Ramelow: das, was ich auf mich habe gerade wirken lassen.
Bodo Ramelow: Und damit gehen diese Worte Vergebung und Versöhnung in meinem Kopf hin und
Bodo Ramelow: her aber wenn ich nachfrage und das ist nicht man kann da nicht hingehen und
Bodo Ramelow: belehrend sein man kann nur mit den Menschen reden fühlen und den Schmerz zulassen
Bodo Ramelow: aber man muss auch verstehen,
Bodo Ramelow: dass nur eine Chance auf Versöhnung besteht wenn man den Schmerz des anderen
Bodo Ramelow: auch sieht insoweit habe ich in meiner Rede.
Bodo Ramelow: Michael Sabah zitiert, das ist der lateinische Patriarch in Jerusalem gewesen,
Bodo Ramelow: vor 17 Jahren. Das war am 22.
Bodo Ramelow: Juli 2008 war ich anwesend, als Michael Sabah seine Funktion als Patriarch abgegeben
Bodo Ramelow: hat an den neuen Patriarchen Twall.
Bodo Ramelow: Und da hat Michael Sabah einen Satz gesagt, der mich bis heute begleitet.
Bodo Ramelow: Religion darf nie Teil des Problems sein. Religion muss immer Teil der Lösung sein.
Bodo Ramelow: Und Michael Sabah hat es damals ergänzt und umrissen, hat gesagt,
Bodo Ramelow: erst wenn Jüdinnen und Juden mit den Augen der Palästinenser schauen und die
Bodo Ramelow: Palästinenser mit den Augen der Jüdinnen und Juden schauen können,
Bodo Ramelow: erst dann wird es eine Chance auf Frieden geben. Das war vor 17 Jahren.
Nicolai Franz: Was ich interessant fand, was Sie erzählt haben von den vier Männern,
Nicolai Franz: die jetzt diesen Mount Zion Friedenspreis, also Zion Friedenspreis erhalten
Nicolai Franz: haben, das waren Beduinen.
Nicolai Franz: Beduinen sind ja so eine besondere Volksgruppe in Israel, die eigentlich ja
Nicolai Franz: Nomadenvölker sind, so traditionell.
Nicolai Franz: Ich bin kein Nahostexperte, ich war zwar mal bei einer Beduinenfamilie auch
Nicolai Franz: zu Hause, aber was ja auffällt ist, sie sind eigentlich weder jüdische Israelis
Nicolai Franz: noch sind sie Palästinenser,
Nicolai Franz: aber sie sind Muslime und sie haben in dem Fall aber...
Nicolai Franz: Nicht nur vermittelt, sondern sogar rettend eingegriffen und haben Menschen
Nicolai Franz: gerettet, egal welche Religion sie haben und haben sich jetzt keiner,
Nicolai Franz: die haben einfach sich für das Leben eingesetzt.
Nicolai Franz: Mich würde mal interessieren, wo Sie auch gesagt haben, Sie waren bei denen auch zu Hause.
Nicolai Franz: Mit Sicherheit ging es doch auch dann um den Konflikt, der jetzt zwei Jahre
Nicolai Franz: später ja immer noch andauert, auch wenn es offiziell eine Waffenruhe gibt.
Nicolai Franz: Aber wirklich, Versöhnung ist ja nicht, ist ja klar, es ist jetzt eine Waffenruhe.
Nicolai Franz: Aber von Versöhnung ist man ja noch weit entfernt. Was sagten die heute dazu?
Nicolai Franz: Was haben die Ihnen gesagt?
Bodo Ramelow: Da muss man einfach dann sagen, dass sie eher patriotisch, israelisch patriotisch
Bodo Ramelow: argumentiert haben. Das war das, was sie...
Bodo Ramelow: Ich glaube, uns auch vermitteln wollten, sie sind Israelis, sie sind Muslime,
Bodo Ramelow: da sagen sie aber, wir sind Menschen.
Bodo Ramelow: Und das andere waren auch Menschen. Und unser Glauben sagt, wir haben Menschen
Bodo Ramelow: in Not zu retten. Und das haben wir praktiziert.
Bodo Ramelow: Eigentlich kam so eine Geste wie, das ist doch nichts. Und dann das Erschrecken,
Bodo Ramelow: was sie wirklich erlebt haben.
Bodo Ramelow: Aber man muss der Vollständigkeit halber sagen, das sind tatsächlich Nomaden,
Bodo Ramelow: die in der Negerfüste immer schon leben.
Bodo Ramelow: Die, die ich besucht habe, sind mittlerweile Lkw-Fahrer, sind selbstständig,
Bodo Ramelow: haben auch Häuser, wo die festgebaut sind.
Bodo Ramelow: Ja, aber eben in den zulässigen, zugewiesenen Orten.
Bodo Ramelow: Ich bin anschließend noch in Sechsen. Ja, das sind aber vom israelischen Staat
Bodo Ramelow: organisiert und angeordnete Orte.
Bodo Ramelow: Und ich bin anschließend noch bei sechs Dörfern gewesen, die als illegale Dörfer gelten.
Bodo Ramelow: Und ich habe mit denen, dem Dorfältesten und den gewählten Vertretern geredet,
Bodo Ramelow: die werden einfach gar nicht anerkannt, sind auch Israelis.
Bodo Ramelow: Und dann sagt Israel ja, ihr lebt hier ja gar nicht.
Bodo Ramelow: Entweder geht ihr in die Stadt und das ist für eine nomadische Familie unvorstellbar.
Bodo Ramelow: Sie können nicht in die Stadt gehen, das ist für sie nicht ihr Lebensweg.
Bodo Ramelow: Und sie sagen, wir waren immer schon hier.
Bodo Ramelow: Wir waren auch schon vor den Osmanen hier. Wir sind Teil dieser Wüste und wir
Bodo Ramelow: haben das Recht darauf, unser Leben hier zu leben. Und sie leben es auch.
Bodo Ramelow: Also haben Autos, haben ihr Mobiliar, haben ihre Tiere, haben auch einen Friedhof
Bodo Ramelow: und auf diesem Friedhof soll auf einmal durch die Wasserbehörde der Wasserturm gestellt werden.
Bodo Ramelow: Und dann sagen sie, wie könnt ihr denn auf unseren Friedhof einen Wasserturm
Bodo Ramelow: stellen? Wie geht ihr denn mit unseren Gräbern um?
Bodo Ramelow: Und die Behörde sagt, euch gibt es doch gar nicht, ihr seid doch hier gar nicht.
Bodo Ramelow: Und dann merkst du, welche Spannungen da alle in den Facetten da sind.
Bodo Ramelow: Wir reden von rund 360.000 Beduinen in der Negev.
Bodo Ramelow: Davon sind 200.000 in gesicherten Verhältnissen, also in diesen Orten.
Bodo Ramelow: Und die anderen sind permanent bedroht, dass ihre Häuser abgerissen werden oder
Bodo Ramelow: ihre mobilen Objekte, die sie errichtet haben.
Bodo Ramelow: Und die Frage, kriegen sie Wasser, kriegen sie Abwasser, kriegen sie Strom,
Bodo Ramelow: werden sie deutlich schlechter gestellt. Und nebendran entsteht eine jüdische
Bodo Ramelow: Siedlung für orthodoxe Siedler.
Bodo Ramelow: Und da sagen sie, guckt es euch an, da, hier wird uns das weggenommen.
Bodo Ramelow: Und da merkst du, es wiederholt sich etwas, was ich in der Westbank schon gesehen
Bodo Ramelow: habe. Ich bin mehrfach in der Westbank gewesen, im Westjordanland und da bin
Bodo Ramelow: ich bei einer Familie gewesen, deren Zisterne ist einfach zerstört worden.
Bodo Ramelow: Sie sagen, diese Zisterne haben unsere Vorfahren schon gehabt und an derselben
Bodo Ramelow: Stelle, an der die israelische Armee die Zisterne zerstört,
Bodo Ramelow: ist oben eine illegale Siedlung auf dem Berg und man sieht die Kinder sitzen im Swimmingpool.
Bodo Ramelow: Toben, planschen, was alles in Ordnung ist.
Bodo Ramelow: Nur der Unterschied ist, die haben oben Wasser, sind in einer illegalen Siedlung
Bodo Ramelow: und die Nomaden unten haben ihre traditionelle Zisterne zerstört bekommen.
Bodo Ramelow: Und dann merkst du, wie viel sonstige Spannungen da noch im Raum sind.
Bodo Ramelow: Denn tatsächlich, diese Menschen sind alles Staatsbürger Israels.
Bodo Ramelow: Also es ist nicht, dass das irgendwelche, da reden wir noch nicht mal von den
Bodo Ramelow: Palästinensern in Gaza. Das ist noch ein ganz anderes Thema.
Bodo Ramelow: Die Frage, welche Brücken kann man bauen, welche Brücken muss man bauen?
Bodo Ramelow: Und da hat mir Abt Schnabel von den Benediktinern gesagt, er hat sehr stark
Bodo Ramelow: den Kontakt zu den Christen im Gazastreifen gehalten.
Bodo Ramelow: Und es gab Phasen dabei in den letzten Monaten, wo sich die Christen im Gazastreifen
Bodo Ramelow: aussuchen konnten, von welcher Seite der Waffen sie dann am Ende angeschossen oder getötet werden.
Bodo Ramelow: Und dann merkst du, wie bitter das alles in der Tiefe ist. Und ich glaube tatsächlich,
Bodo Ramelow: wir sind jetzt an einem Punkt, und das bewegt mich dann sehr,
Bodo Ramelow: an einem Punkt, bei dem man über die Zwei-Staaten-Lösung sehr hart und sehr klar reden muss.
Bodo Ramelow: Ansonsten zerstört Israel sein
Bodo Ramelow: eigenes Fundament, auch völkerrechtliches Fundament, auf dem es steht.
Bodo Ramelow: Denn es ist entstanden mit einem Anspruch, dass zwei Staaten zu entstehen haben.
Bodo Ramelow: Und der zweite Staat kann nur entstehen, wenn man ihm auch jetzt die entsprechende
Bodo Ramelow: Richtung gibt. Aber es funktioniert nur, wenn es ein wechselseitiges Anerkennen gibt.
Bodo Ramelow: Also die israelische Seite sagt ja immer, wir haben es den Palästinensern mehrfach
Bodo Ramelow: angeboten, sie haben uns nie anerkannt.
Bodo Ramelow: Es gab nur einen Ausgleich mit der Fatah im Westjordanland und jetzt erlebt
Bodo Ramelow: aber auch die Fatah im Westjordanland, dass immer mehr illegale Siedlungen gebaut werden.
Bodo Ramelow: Offiziell sagt Israel, wir machen keine Annexionspolitik, aber nachdem ich jetzt
Bodo Ramelow: mit den NGOs gestern noch in der Deutschen Botschaft geredet habe,
Bodo Ramelow: Peace Now und Breaking the Silence, die sagen ganz klar, es passiert was anderes.
Bodo Ramelow: Jeden Tag wird Landnahme genommen und es gibt auch eben offene Gewalt von aggressiven
Bodo Ramelow: Siedlern gegenüber den Ureinwohnern.
Nicolai Franz: Jetzt gibt es ja einige Staaten, die auch schon zumindest angekündigt haben,
Nicolai Franz: Palästina als Staat anzuerkennen.
Nicolai Franz: Deutschland ist da nicht dabei und wird es auch auf absehbare Zeit nicht sein.
Nicolai Franz: Wie ist denn Ihre Vorstellung von einer Zwei-Staaten-Lösung?
Nicolai Franz: Denn es ist ja so eine Art Doktrin in der deutschen Außenpolitik,
Nicolai Franz: fast noch mehr als das Thema Staatsräson, weil sich da wirklich irgendwie alle
Nicolai Franz: von links bis rechts drauf einigen können, zumindest fast alle,
Nicolai Franz: dass zwei Staaten existieren sollen.
Nicolai Franz: Ich will jetzt nicht zu weit in die Geschichte zurückgehen, aber wenn man ausgeht,
Nicolai Franz: 1947, der Teilungsplan der Vereinten Nationen, wo das Gebiet früher noch britisches
Nicolai Franz: Mandatsgebiet war, wo das Mandat dann auslief.
Nicolai Franz: Und dann sollte es ja einen jüdischen und einen arabischen Staat geben.
Nicolai Franz: Ich glaube, es war nicht ganz festgelegt, wo und wie und also jetzt die exakten Grenzen.
Bodo Ramelow: Es gab...
Nicolai Franz: Und was für ein Staat dann entstehen sollte.
Bodo Ramelow: Abstrakte Siedlungsräume, die da definiert waren, aber nie richtig fest definiert wurden.
Bodo Ramelow: Und tatsächlich gehört zur Wahrheit, unmittelbar nachdem der Beschluss kam,
Bodo Ramelow: haben die arabischen Nachbarn den Krieg gegen Israel begonnen.
Bodo Ramelow: Also die Antwort auf den Teilungsbeschluss der UN war ein sofortiger militärischer Krieg gegen Israel.
Bodo Ramelow: Also das gehört zur Wahrheit dazu.
Nicolai Franz: Dann existierende Israel und was dann die Palästinenser ja als Nakba bezeichnen,
Nicolai Franz: als die Urkatastrophe sozusagen, wobei natürlich auch Juden von Vertreibung betroffen waren.
Bodo Ramelow: Genau, da wird immer der andere Teil verschwiegen. Es wird immer von den arabischen
Bodo Ramelow: Vertriebenen geredet und von den jüdischen Vertriebenen, die gleichzeitig aus
Bodo Ramelow: denselben Siedlungsräumen umgekehrt vertrieben wurden, wird nicht geredet.
Bodo Ramelow: Denn die sephadischen Juden, die dort alles, auch Ureinwohner,
Bodo Ramelow: über Jahrtausende in der Region waren, die sind ja alle aus ihrer Heimat auch
Bodo Ramelow: dann vertrieben worden.
Bodo Ramelow: Und da wird es dann in Deutschland immer kompliziert.
Bodo Ramelow: Deutsche Linke neigen dann dazu, dass sie dann sich auf die Seite der arabischen
Bodo Ramelow: Nakba-Erzählung stellen. Und dann sage ich immer, ja, ich habe eben gesagt, ich war in Warschau.
Bodo Ramelow: Was ist mit den deutschen Vertriebenen? Die galten dann in Deutschland immer
Bodo Ramelow: unter Linken als Revanchisten.
Bodo Ramelow: In Wirklichkeit haben die ihrer Heimat nachgetrauert. Und die Frage,
Bodo Ramelow: ob wir Königsberg zurückhaben möchten, ob wir Ostern...
Nicolai Franz: Kaliningrad, also was ist heute Kaliningrad.
Bodo Ramelow: Russische Enklappe. Ja, und deswegen sage ich immer,
Bodo Ramelow: also man muss an diese Themen entweder mit dem gleichen Maßstab rangehen,
Bodo Ramelow: da kann man nicht sagen, also wir reden jetzt nur über die arabischen Vertriebenen
Bodo Ramelow: und über die jüdischen Vertriebenen reden wir nicht, oder wir sagen,
Bodo Ramelow: wir nehmen die Vertreibung zur Kenntnis, als Grundlage.
Bodo Ramelow: Und müssen ein paar andere Fragen, nämlich der Siedlungsräume,
Bodo Ramelow: in denen sie heute leben, klären.
Nicolai Franz: Aber damals hatten wir ja dann eine, das war ja die angestrebte und auch,
Nicolai Franz: ich sag mal, so top-down verordnete zwei Staatenlösung, die eigentlich da schon
Nicolai Franz: hätte realisiert werden sollen.
Bodo Ramelow: Die ist ja nie abgeschlossen worden.
Nicolai Franz: Genau, und seitdem sind wir auf dem Weg dahin und jetzt sagen die einen,
Nicolai Franz: from the river to the sea, Palestine will be free, was dann auch als antisemitisch
Nicolai Franz: dann deklariert wird, weil das bedeutet, es existiert kein Israel mehr und es
Nicolai Franz: ist dann einfach Palästina, fertig, gibt kein Staat Israel mehr.
Nicolai Franz: Und das andere wäre eine Zwei-Staaten-Lösung, wobei man jetzt den Gaza-Streifen
Nicolai Franz: hat und das Westjordanland.
Nicolai Franz: Ich finde das geografisch immer allein schon sehr schwierig,
Nicolai Franz: das irgendwie so darzustellen. Aber wir haben jetzt ja eben über Religion vor
Nicolai Franz: allem gesprochen, auch weil das ja natürlich das Thema jetzt hier auch ist.
Nicolai Franz: Ich finde, man merkt oft, dass Religion gar nicht so der Ursprung des Konfliktes
Nicolai Franz: an sich immer ist, bis ins letzte Detail, sondern oft auch die Zugehörigkeit
Nicolai Franz: zu einer gewissen Gruppe, die dann auch eben Religion hat.
Nicolai Franz: Und das Beispiel mit den Beduinen, die dann eben,
Nicolai Franz: Ohne eine religiöse Brille jetzt gesagt haben, wir helfen denen jetzt,
Nicolai Franz: zeigt das ja eigentlich.
Bodo Ramelow: Ja, aber so einfach ist es ja leider auf der jüdischen Seite eben auch nicht.
Bodo Ramelow: Ich gehe von dem Benediktinerabteil morgens runter zur evangelischen Kirche
Bodo Ramelow: im Gottesdienst, weil ich wollte morgens in meiner evangelischen Gemeinde Gottesdienst halten.
Bodo Ramelow: Und das erste Haus, an dem ich vorbeikomme, hängt ein Riesentransparent dran, make Gaza Jewish again.
Bodo Ramelow: Und dann bin ich im orthodox-jüdischen Viertel.
Bodo Ramelow: Und wenn die Botschaft heißt, make Gaza Jewish again, heißt das,
Bodo Ramelow: alle Palästinenser müssen vertrieben werden. Wohin?
Bodo Ramelow: Auf Sinai, also in die Wüste? Soll das der Plan sein?
Bodo Ramelow: Oder was Donald Trump mal ursprünglich gesagt hat, ein großer Golfplatz,
Bodo Ramelow: das hat er dann korrigiert.
Nicolai Franz: Die Riviera des Nahen Ostens, wollte er dann machen?
Bodo Ramelow: Ja, diesen Satz kann ich immer noch verstehen, weil Libanon war mal die Riviera des Nahen Ostens.
Bodo Ramelow: Und wenn man sieht, wie am Ende dieses Libanon zerstört worden ist.
Bodo Ramelow: Libanon war in den 50er Jahren eine blühende Region.
Bodo Ramelow: Also das war die Cota Syr in der Region und heute ist es ein Trümmerstaat mit
Bodo Ramelow: verschiedenen, abgetrennt voneinander,
Bodo Ramelow: verschiedenen Religionszugehörigkeiten, also es ist die Gruppe,
Bodo Ramelow: von der sie reden, das ist der Clan,
Bodo Ramelow: das sind auch Clans, die definieren sich auch als Clans.
Bodo Ramelow: Das wird auch nicht unter dem Begriff, bei uns in Deutschland wird Clan dann
Bodo Ramelow: immer gleich als Clan-Kriminalität.
Bodo Ramelow: Clan hat auch was mit Hierarchie zu tun, dem Respekt dem Ältesten gegenüber.
Bodo Ramelow: Das ist in diesen Regionen der normale Ordnungszusammenhang,
Bodo Ramelow: dass man erstmal familiär miteinander abklärt, was man macht,
Bodo Ramelow: wie man es macht. Und insoweit ist die Frage...
Bodo Ramelow: Wenn wir auf die Region schauen, müssen wir über mehr reden als nur die Westbank und Gaza.
Bodo Ramelow: Dann sind wir schon bei Syrien, dann sind wir bei den Drusen,
Bodo Ramelow: dann sind wir bei den Assyrern,
Bodo Ramelow: dann sind wir bei den ganzen christlichen, übrig gebliebenen Christen,
Bodo Ramelow: die in ihrer Originalheimat zu den Aramäesprechenden, es gibt mittlerweile in
Bodo Ramelow: Berlin mehr Aramäesprechende wie in den ursprünglichen Siedlungsräumen.
Bodo Ramelow: Das zeigt doch, dass da Veränderungsprozesse über Jahre und Jahrzehnte stattgefunden
Bodo Ramelow: haben, die was mit Vertreibung und mit Nachbarschaftsneid und Zerstörung.
Bodo Ramelow: Wenn ich dann von den Jesiden rede, das sind die,
Bodo Ramelow: die von allen am Ende immer nur rumgeschubst im freundlichsten Sinne und die
Bodo Ramelow: ein Genozid erlebt haben im Chinga in ihrer Heimat und deren Frauen sind versklavt worden.
Bodo Ramelow: Sie sind alle durchgängig, soweit sie gefasst worden sind, vergewaltigt worden,
Bodo Ramelow: um Vergewaltigung als Mittel der Unterdrückung einzusetzen.
Bodo Ramelow: Und da könnte der israelische Staat
Bodo Ramelow: ein wichtiger Treiber für rechtliche Grundsätze, für Prinzipien sein.
Bodo Ramelow: Und jetzt muss man aber wieder im israelischen Staat sehen, dass die Ultraorthodoxen
Bodo Ramelow: sowohl die Armee ablehnen als auch den Staat.
Bodo Ramelow: Also es wird diese Woche noch eine große Siedlerdemonstration erwartet,
Bodo Ramelow: die soll die größte Demonstration aller Zeiten werden, die deutlich macht,
Bodo Ramelow: wir haben mit diesen ganzen Plänen von Trump und den anderen nichts zu tun.
Bodo Ramelow: Das heißt, da geht es darum, dass man dann immer noch von einem ganz anderen Eretz Israel träumt.
Bodo Ramelow: Da träumt man nicht von dem Staat Israel, da träumt man von einem Großisrael,
Bodo Ramelow: in dem alle anderen vertrieben sind.
Bodo Ramelow: Das kann aber nicht das Ziel einer Welt sein.
Bodo Ramelow: Weltentwicklung sein. Das wäre furchtbar, weil wir dann nämlich wieder überall
Bodo Ramelow: auf der Welt anfangen würden, andere zu vertreiben.
Bodo Ramelow: Dann sind wir in ganz schwierigen Prozessen.
Bodo Ramelow: Und ich merke ja, ich bleibe dabei, Vergebung und Versöhnung sind hart,
Bodo Ramelow: weil sie erstmal den Schmerz bearbeiten müssen, bevor man an Vergebung und Versöhnung
Bodo Ramelow: kommt. Und im Moment sind wir noch in der Phase von Schmerz.
Bodo Ramelow: Hart politisch betrachtet muss die Entwaffnung der Hamas erstmal betrieben werden.
Bodo Ramelow: Die kriegt man mit Bomben aus ihren Tunneln nicht raus.
Bodo Ramelow: Also wenn die israelische Regierung glaubt, mit Bomben weiter das Thema bearbeiten
Bodo Ramelow: zu können, wird es die Tiefe des Hasses nur vergrößern.
Nicolai Franz: Wie kriegt man sie raus? Aus ihren Tunneln?
Bodo Ramelow: Indem man mit den arabischen Nachbarn, die am Ende mit Verantwortung übernehmen müssen.
Nicolai Franz: Also im Prinzip, was Trump ja auch gemacht hat, also sie einzubinden und dann
Nicolai Franz: am Ende, dass die IDF abzieht und dann arabische Truppen als Schutztruppen dann da hingehen.
Nicolai Franz: Das heißt, bei aller Kritik, die es auch an Trump gibt.
Bodo Ramelow: Ist das vielleicht doch etwas Positives. Da sehe ich die Hoffnung auf den Trump-Plan,
Bodo Ramelow: aber der geht erst los mit der zweiten, dritten und vierten Stufe.
Bodo Ramelow: Im Moment haben wir nur die Spirale unterbrochen.
Bodo Ramelow: Und die 20 noch Lebenden sind raus. Dafür sage ich Trump meinen Dank und meine
Bodo Ramelow: Hochachtung. Das ist überhaupt nicht zu unterschätzen.
Bodo Ramelow: Aber die nächsten Schritte hängen auch davon ab, ob man deutlich macht,
Bodo Ramelow: man lässt nicht zu, dass in der Westbank einfach weiter Landnahme betrieben wird.
Bodo Ramelow: Man lässt nicht zu, dass einfach in Gaza weitergebombt wird,
Bodo Ramelow: weil auch die israelische Regierung eine eigene Agenda hat, die nicht identisch
Bodo Ramelow: ist mit der, was Trump sich vorgestellt hat.
Bodo Ramelow: Denn Trump muss gegenüber den arabischen Staaten das auch zusammenhalten.
Bodo Ramelow: Wir werden diese Region nur in eine friedlichere Welt bekommen,
Bodo Ramelow: wenn die arabischen Staaten auch Israel anerkennen.
Bodo Ramelow: Da war ein Prozess, der war vor ein paar Jahren schon mal weiter.
Bodo Ramelow: Und jetzt, man muss immer wieder sagen, der Gaza-Streifen hat zwei Grenzen.
Bodo Ramelow: Eine Grenze ist nach Israel und die zweite ist nach Ägypten.
Bodo Ramelow: Und über die zweite Grenze reden wir ja in Deutschland nie.
Bodo Ramelow: Aber auch da, die Ägypter müssen eine Entscheidung treffen.
Bodo Ramelow: Und das geht nur, wenn Israel und Ägypten sind.
Nicolai Franz: Also den Ägyptern wird keine Apartheid vorgeworfen.
Bodo Ramelow: Ja, das ist ja das Kurios. Auch wenn sie niemanden reinlassen. Machen dasselbe.
Bodo Ramelow: Machen dasselbe. Und deswegen glaube ich, am Ende muss dieser Druck bleiben,
Bodo Ramelow: damit die arabischen Staaten Partner in diesem Prozess sind.
Bodo Ramelow: Israel hat keine andere Hoffnung, wenn es nicht gelingt, die unterschiedlichen
Bodo Ramelow: Religionen, die unterschiedlichen Abstammungen in ihrer Unterschiedlichkeit
Bodo Ramelow: zu einer Akzeptanz zu führen, damit man sich aushält.
Nicolai Franz: Sie haben jetzt beide Seiten des Konflikts sehr, ich sag mal,
Nicolai Franz: differenziert dargestellt und auch sehr empathisch.
Nicolai Franz: Das unermessliche Leid auf der einen Seite, was die Israelis erfahren haben,
Nicolai Franz: wo auch deutsche Staatsbürger darunter waren, aber was natürlich ein Angriff
Nicolai Franz: auf Juden war, so von der Intention her, ganz klar.
Nicolai Franz: Und auf der anderen Seite auch das Leid, was in Gaza eben geschieht und auch immer noch da ist.
Nicolai Franz: Einerseits verursacht durch die Hamas, aber eben auch durch den Krieg, den Israel führt.
Nicolai Franz: Und sie sprechen von Schmerz, den man erstmal aushalten muss und der erstmal
Nicolai Franz: auch wahrgenommen werden muss.
Nicolai Franz: Und dann finde ich interessant, dass sie nicht die Worte so Gerechtigkeit und
Nicolai Franz: Freiheit oder so jetzt benutzen, sondern Vergebung und Versöhnung.
Nicolai Franz: Was ja wirklich was sehr Christliches auch ist.
Nicolai Franz: Am Anfang, nach dem 7. Oktober, gab es ja ganz viele Solidaritätsbekundungen
Nicolai Franz: mit Israel, weil dieses schreckliche Massaker natürlich auch die Menschen getroffen
Nicolai Franz: hat. Und das hielt so einige Tage, vielleicht sogar Wochen an.
Nicolai Franz: Und dann, als dann die Militäraktion begann, dann kippte die öffentliche Meinung
Nicolai Franz: und vor allen Dingen die Meinung auf der Straße sehr schnell.
Nicolai Franz: Und plötzlich standen nicht mehr die Israelis im Zentrum des Mitleids und der
Nicolai Franz: Anteilnahme, sondern die Palästinenser an sich.
Nicolai Franz: Bis dahin, dass regelrecht Hass auch auf Juden und auf Israelis wuchs.
Nicolai Franz: Und mittlerweile ist es so, dass Juden in Deutschland im Grunde nicht nur in
Nicolai Franz: irgendwelchen No-Go-Areas oder
Nicolai Franz: so, sondern eigentlich sich fast gar nicht mehr auf die Straße trauen.
Nicolai Franz: Im Sinne von, ich gebe mich öffentlich zu erkennen als Jude mit Kippa,
Nicolai Franz: mit Davidstern, mit irgendeinem T-Shirt, wo Falafel auf Hebräisch draufsteht und so.
Nicolai Franz: Hätten Sie das nach dem 7. Oktober in dieser Form erwartet oder haben Sie schon
Nicolai Franz: gedacht, dadurch, dass Sie vielleicht die Szene auch ein bisschen kennen,
Nicolai Franz: Naja, mal gucken, wie lange das jetzt dauert mit der Israel-Solidarität.
Bodo Ramelow: Also gehofft hatte ich es anders. Aber ich wusste ja schon, was in Spanien längst
Bodo Ramelow: passiert war. Das ist ja viel länger.
Bodo Ramelow: Was in Belgien passiert ist, was in England mir schon seit langer Zeit begegnet.
Bodo Ramelow: Eine Form von anti-israelischer Ablehnung.
Bodo Ramelow: Der Apartheid-Staat muss weg. Das ist ja das Zitat, was sie eben hatten.
Bodo Ramelow: Free Palestine, sag ich immer, kann man gerne benutzen. Free Palestine from the IDF und the Hamas.
Bodo Ramelow: Wenn man es so benutzt, dann könnte man mal über freies Palästina reden.
Bodo Ramelow: Und einige der AkteurInnen, die in diesen Fragen unterwegs sind,
Bodo Ramelow: auch mit der Gaza-Flotille oder sowas, von denen höre ich nie irgendwas zu Hamas. Das stört mich.
Bodo Ramelow: Also sich auf die Seite von Palästinensern zu stellen, kann ich verstehen.
Bodo Ramelow: Kann ich auch intellektuell verstehen, wenn man das macht. Aber ich kann politisch
Bodo Ramelow: nicht verstehen, wenn man queer ist und sagt, also queere für Palästine,
Bodo Ramelow: wenn die nicht wissen, wie die Hamas mit Schwulen umgeht.
Bodo Ramelow: Also ich habe in Israel vor 17 Jahren begonnen, mit der Agudar zu arbeiten.
Bodo Ramelow: Das ist die größte Schwulenorganisation Israels. Ich bin auf der Pride in Tel
Bodo Ramelow: Aviv gewesen, um mit denen ins Gespräch zu kommen, um zu wissen, was da passiert.
Bodo Ramelow: Und damals ging es schon um schwule Palästinenser, die geschützt wurden mit
Bodo Ramelow: den Mitgliedsausweisen der Agudar.
Bodo Ramelow: Und ich habe damals mit dem deutschen Beauftragten für Völkerrecht und Menschenrecht, NOKE,
Bodo Ramelow: mit dem habe ich damals darüber geredet, was wir tun könnten,
Bodo Ramelow: um die Agudar zu unterstützen, damit sie die palästinensischen Schwulen schützt.
Bodo Ramelow: Denn die galten als Kollaborateure und als unrein und als im Glauben nicht zu akzeptieren.
Bodo Ramelow: Die wurden gesteinigt. Und deswegen wundere ich mich, wenn ich so Sätze lese
Bodo Ramelow: wie Queere für Free Palestine, wenn sie sich nicht selber klar committen.
Bodo Ramelow: Wenn sie eine offene Welt wollen, dann ist sie mit der Hamas,
Bodo Ramelow: Hezbollah oder mit iranischen Denken und Mullahs nicht zu machen.
Bodo Ramelow: Und deswegen wundere ich mich, wenn Leute mal auf die Solidaritätsdemo für die
Bodo Ramelow: iranischen Frauen gehen, aber dann schweigen zu Hamas, Hezbollah nicht.
Bodo Ramelow: Huti-Militzen, das kriege ich nicht unter einen Hut.
Bodo Ramelow: Deswegen, ja, ich bemühe mich, den Konflikt von allen Seiten zu betrachten.
Bodo Ramelow: Ich bemühe mich im Sinne von Michael Sabah auch den Schmerz des anderen zu sehen.
Bodo Ramelow: Und ich weiß, dass der Weg von der einen Seite zur anderen Seite gleich weit
Bodo Ramelow: ist. Wenn man ihn aber gehen will, geht er nur mit Erkenntnis.
Bodo Ramelow: Und was nicht geht, ist, wenn man sich auf eine Seite stellt und ein Teil des
Bodo Ramelow: Problems dabei komplett ausblendet.
Bodo Ramelow: Deswegen wird mir ja aus linken Kreisen vorgeworfen, ich sei Genozidleugner,
Bodo Ramelow: ich sei Zionist, ich sei sowieso derjenige, der Netanjahu verteidigen würde
Bodo Ramelow: und was ich mir nicht alles anhören muss.
Bodo Ramelow: Und umgekehrt kriege ich von pro-israelisch vorgehalten, ich sei ja viel zu
Bodo Ramelow: ausgewogen, ich sei ja gar nicht radikal genug.
Bodo Ramelow: Das heißt, du wirst immer nur vereinnahmt für eine Seite, um dann benutzt zu werden.
Nicolai Franz: Judenhass gibt es ja auf der extremen Rechten, das ist klar,
Nicolai Franz: auch aus wirklich pur rassistischen Gründen, wie wir das aus dem Nationalsozialismus kennen,
Nicolai Franz: wo Juden für alles mögliche verantwortlich gemacht haben und wo dann wirklich
Nicolai Franz: mit irgendwelchen konstruierten Rassebegriffen dann argumentiert wurde,
Nicolai Franz: in Anführungsstrichen.
Nicolai Franz: Und auf der linken Seite gibt es ihn aber auch, auch nicht erst seit gestern,
Nicolai Franz: auch nicht erst seit dem 7.
Nicolai Franz: Oktober 23 und eben auf der Seite von, naja, Islamisten ist eigentlich schon
Nicolai Franz: zu viel gesagt, also viele Muslime teilen eben auch eine sehr stark antisemitische Weltsicht,
Nicolai Franz: und die Linken scheinen, oder viele Linke scheinen sich auf deren Seite dann
Nicolai Franz: irgendwie so zu schlagen.
Nicolai Franz: Ich schätze, Sie sprechen, haben Sie auch immer gesagt, regelmäßig auch mit
Nicolai Franz: Genossinnen und Genossen in Ihrer eigenen Partei darüber, wahrscheinlich auch
Nicolai Franz: durchaus auch mal kontrovers.
Nicolai Franz: Wir haben das auch mal öffentlich durchaus mitbekommen, es ging da um eine Definition
Nicolai Franz: von Antisemitismus von der IHRA.
Nicolai Franz: Die eigentlich allgemein anerkannt ist und verwendet wird, weithin zumindest.
Nicolai Franz: Und die Linkspartei hat sich dann entschieden, die JDA, die Jerusalemer Erklärung,
Nicolai Franz: die so ein bisschen weggeht von der Überzeugung, dass Israel-Kritik in bestimmten
Nicolai Franz: Ausprägungen und Kritik an Zionismus eben auch Antisemitismus ist.
Nicolai Franz: Dazu muss man vielleicht sagen, Zionismus ist ja eigentlich das Bekräftigen,
Nicolai Franz: dass Israel ein Recht auf einen eigenen Staat und ein eigenes Staatsgebiet hat.
Nicolai Franz: Also klassischer historischer Zionismus ist das ja daran.
Bodo Ramelow: Historisch sind sie jetzt auf einem gefährlichen Terrain. Also weil es gab auch
Bodo Ramelow: Zionismus unter Linken,
Bodo Ramelow: also in der Sowjetunion ist Birobaidschan als jüdischer Staat auserkoren worden,
Bodo Ramelow: bis heute haben die den Davidstern in ihrer Staatsfahne, weil Stalin auch einen
Bodo Ramelow: zionistischen Ort schaffen wollte, weil die Frage ursprünglich,
Bodo Ramelow: ob es das Territorium sein muss des heutigen Israels oder ob Erez Israel in
Bodo Ramelow: den Herzen ist, Also da, wo man ist.
Nicolai Franz: Also Land Israel.
Bodo Ramelow: Ja, deswegen gibt es verschiedene Strömungen. Aber innerhalb der zionistischen
Bodo Ramelow: Bewegung sind die ganzen Kibbutznik ursprünglich alles Linke gewesen.
Bodo Ramelow: Also die Geschichte ist in ihrer Vielfalt deutlich komplizierter.
Bodo Ramelow: Und in Deutschland wird sie dann am Ende nur als zionistische Bewegung in Bezug
Bodo Ramelow: auf Israel gesehen, Als aggressive fremde Siedler, die dort eindringen,
Bodo Ramelow: den Arabern das Land wegnehmen, dort gar nicht hingehören.
Bodo Ramelow: Das ist mir alles wohl bekannt.
Bodo Ramelow: Bemühe mich nur aus der heutigen Perspektive über diese Zionismus-Definition
Bodo Ramelow: mich gar nicht irritieren zu lassen, weil das benutzen viele Menschen,
Bodo Ramelow: die offenkundig nicht mal historischen Hintergrund haben.
Nicolai Franz: Ich wollte auch genau darauf hinaus, dass dann eben alles, was das Zionismus
Nicolai Franz: dann eigentlich gar nicht mehr das ist, was es eigentlich bedeutet hat ursprünglich,
Nicolai Franz: sondern oder wie man es eigentlich deuten sollte,
Nicolai Franz: sondern dass man alles politisch in einen Topf wirft, was irgendwie als imperialistisch
Nicolai Franz: oder sowas oder kolonialistisch oder so unterdrückerisch aus Israel wahrgenommen wird von der Linken.
Bodo Ramelow: Aber nicht von der Linken, einem Teil der Linken.
Nicolai Franz: Ich habe es jetzt beide darauf bezogen.
Bodo Ramelow: Ja, ist schon klar. Ich gehe immer über eine andere Definition,
Bodo Ramelow: wenn ich in diese Konflikte auch mit meinen eigenen Parteigenossinnen und Genossen komme,
Bodo Ramelow: sage ich immer der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen,
Bodo Ramelow: Reinhard Schramm, sagt immer, wenn es Israel gegeben hätte, hätte ich meine
Bodo Ramelow: Großmutter noch erlebt.
Bodo Ramelow: Und dieses Argument, wir werden nie wieder um Visas betteln,
Bodo Ramelow: wir werden nie wieder auf der Welt zu Kreuze kriechen und von allen vertrieben
Bodo Ramelow: werden, weil alle haben diese Schiffe im Kopf, die nicht anlanden durften.
Bodo Ramelow: Alle haben ein Gefühl dafür.
Nicolai Franz: Die Juden, die fliegen und flohen sind.
Bodo Ramelow: Ja klar, alle haben das real in ihrem Kopf und sagen, dieser zweite Pass,
Bodo Ramelow: diese Staatsangehörigkeit Israel ist unsere Überlebensgarantie.
Bodo Ramelow: Denn wir sind die Minderheit in Deutschland.
Bodo Ramelow: Und da zitiere ich wieder Reinhard Schramm. Wenn ihr als Mehrheitsgesellschaft
Bodo Ramelow: nicht uns im Blick habt, wenn ihr uns nicht schützt, wir können uns nicht schützen.
Bodo Ramelow: Wir können nur gehen. Und die Frage, die Michel Friedmann und andere mal beantwortet
Bodo Ramelow: haben oder Charlotte Knoblauch,
Bodo Ramelow: haben wir den Koffer, den wir in den 60er und 70er Jahren noch immer gepackt
Bodo Ramelow: in der Wohnung stehen hatten, haben wir ihn auf den Dachboden gelegt oder fangen
Bodo Ramelow: wir jetzt gerade an, wieder nach dem Koffer zu suchen oder sind wir schon dabei, ihn wieder zu packen?
Bodo Ramelow: Es beschämt mich, dass vor jeder Synagoge in Deutschland ein Polizeiwagen steht.
Bodo Ramelow: Es quält mich, was Sie vorhin erzählt haben mit der Kippa.
Bodo Ramelow: Ich habe eine jüdische Gruppe im Bundestag geführt, also eingeladen und begleitet.
Bodo Ramelow: Und ich habe gesehen, dass die Männer alle eine Kappe auf hatten.
Bodo Ramelow: Und ich wusste, dass sie die Kappe auf haben, weil darunter die Kippa ist.
Bodo Ramelow: Und das beschämt mich. Und ich sage ganz deutlich, es beschirmt mich auch,
Bodo Ramelow: wenn ich höre, dass in Erfurt ein junger Mann wegen eines Davidsterns in der
Bodo Ramelow: Straßenbahn geschlagen,
Bodo Ramelow: getreten und sich nur retten konnte, indem er flüchtet.
Bodo Ramelow: Und gleichzeitig meine Ahmadiyya-Gemeinde, die bei mir in der Nachbarschaft
Bodo Ramelow: ihre kleine Moschee hat, regelmäßig Schweineköpfe vor die Moschee geworfen kriegt,
Bodo Ramelow: Schweineblut auf die Baustelle geschüttet kriegt hat.
Bodo Ramelow: Und der Vorsitzende der Gemeinde, Herr Malik, mehrfach körperlich angegriffen worden ist.
Bodo Ramelow: Das bequält mich alles, weil für mich ist die Religionsausübung für alle ein Recht.
Bodo Ramelow: Das steht im Grundgesetz. Das ist unsere Verpflichtung. Jeder hat das Recht,
Bodo Ramelow: seine Religion so zu leben.
Bodo Ramelow: Und ich sage einschränkend, solange er keinem anderen auf die Nerven geht.
Bodo Ramelow: Also jeder hat das Recht, seine Religion zu leben. Und wer seine Kippa tragen
Bodo Ramelow: möchte, muss sie tragen können.
Bodo Ramelow: Und wer ein Kopftuch tragen möchte, muss es tragen dürfen.
Bodo Ramelow: Was nicht geht, ist zu sagen, dann das eine reglementieren wir und das andere legitimieren wir.
Bodo Ramelow: Da wird es gefährlich. Und da sind wir dann beim Staatskirchenrecht und dem
Bodo Ramelow: Staatskirchenverständnis. Ich würde sogar sagen.
Nicolai Franz: Auch wenn ich dem anderen damit auf die Nerven gehe, dann ist das halt so.
Nicolai Franz: Aber ich glaube, Sie meinen, wenn ich die Rechte von anderen dadurch beschneide.
Bodo Ramelow: Das ist der Punkt. Also auf die Nerven gehen im Sinne von, greife ich bei dem ein.
Bodo Ramelow: Ich lasse mich von niemandem angreifen, der anfängt mit mir rumzuzänken, dass ich Christ bin.
Bodo Ramelow: Ich bin bekennender Christ und ich weiß, warum ich meinen Christsein auch bekenne.
Bodo Ramelow: Warum ich da gar nicht drumrum eire. Aber ich merke, und das haben mir eine
Bodo Ramelow: ganze Reihe von Juden gesagt tatsächlich, dass sie ihre jüdische Allgemeine
Bodo Ramelow: nur noch im verschlossenen Umschlag kriegen.
Bodo Ramelow: Ihr sichtbares Jüdischsein, das nur durch kleine Gesten gezeigt wird,
Bodo Ramelow: einfach verschwinden lassen.
Bodo Ramelow: Und ich finde, das ist ein Alarmzeichen für uns in der Mehrheitsgesellschaft.
Bodo Ramelow: Da bleibe ich bei Reinhard Schramm, unserem Vorsitzenden.
Bodo Ramelow: Der sagt, wenn ihr als Mehrheitsgesellschaft auf uns nicht achtet,
Bodo Ramelow: und er nimmt immer auch die Ahmadiyya-Gemeinde mit in Schutz.
Bodo Ramelow: Er sagt immer, es geht nicht nur um uns Jüdinnen und Juden.
Bodo Ramelow: Und auch die Frage, wie taktisch ist das Verhältnis zwischen Linken und Rechten,
Bodo Ramelow: mal zu Moslems und mal zu Juden.
Bodo Ramelow: Also die AfD ist im Moment der größte Verteidiger Israels im Deutschen Bundestag.
Bodo Ramelow: Und hier hat man immer wieder versucht, den Kontakt zur jüdischen Gemeinde aufzunehmen.
Bodo Ramelow: Also da will man doch gar nicht in dem Geruch sein, dass man irgendwas mit den
Bodo Ramelow: Verbrechen des Nationalsozialismus zu tun hat und der Shoah.
Bodo Ramelow: Man will aber gleichzeitig antimuslimisch auftreten, weil man da sich an Gerd Wilders orientiert.
Bodo Ramelow: Wenn man aber die geschlossenen Weltbilder und die geschlossenen Familienbilder
Bodo Ramelow: von Islam oder islamistischen Vordenkern sich mal anguckt, wie die ihr Familienbild haben,
Bodo Ramelow: das könnte dem einen oder anderen Rechten bei uns aber doch sehr bequem sein.
Bodo Ramelow: Das lässt man aber im Moment nicht zu, weil man ja taktisch anders Politik machen
Bodo Ramelow: will. Deswegen bin ich sehr unsicher und umgekehrt gilt das für die Linken genauso.
Bodo Ramelow: Weil sie sich genauso auf einmal, also ich bin ja einverstanden,
Bodo Ramelow: wenn mir jemand sagt, links sein heißt auf der Seite des Schwächeren zu stehen.
Bodo Ramelow: Wenn ich mich auf die Seite des Schwächeren stelle, also wenn ich sage,
Bodo Ramelow: Israel ist der Starke und die Palästinenser sind die Schwachen,
Bodo Ramelow: aber dann kein Wort darüber verliere, was die Hamas über Jahre hinweg sagt.
Bodo Ramelow: Auf dem Territorium dort gemacht hat, um ihre Denkausrichtung,
Bodo Ramelow: auch ihr Weltbild zu prägen, dann muss ich mich als Linker fragen,
Bodo Ramelow: ob das noch mein Weltbild ist.
Bodo Ramelow: Und wenn ich diese intellektuelle Leistung nicht mache, ist das alles nur eine
Bodo Ramelow: Gratis-Mut-Erklärung.
Nicolai Franz: Da sprechen Sie ein ganz interessantes Thema an, auf das ich auch hinaus wollte.
Nicolai Franz: Und zwar, mir kommt es oft so vor, dass die Älteren, Sie nennen sich ja schon
Nicolai Franz: selber Silberlocke, Von daher bezeichne ich sie jetzt auch mal als dazugehörig.
Nicolai Franz: Also die Älteren in der Linkspartei, was das Thema Antisemitismus angeht,
Nicolai Franz: wirklich sehr stabil sind und auch aus der Tradition kommen Holocaust nie wieder
Nicolai Franz: und auch eine gewisse Verantwortung,
Nicolai Franz: da auch eine besondere Verantwortung auch spüren und die Dinge auch irgendwie
Nicolai Franz: anders einschätzen, als dass zumindest viele der jüngeren Mitglieder jetzt in
Nicolai Franz: der Linkspartei zum Beispiel sind.
Nicolai Franz: Die Linkspartei ist ja sehr, sehr stark gewachsen, also andere politische Parteien
Nicolai Franz: schrumpfen, die Linkspartei wächst sehr stark.
Nicolai Franz: Ich glaube es sind mittlerweile 120.000.
Bodo Ramelow: Von 60.000 auf 120.000 verdoppelt.
Nicolai Franz: Genau und sehr erfolgreiche TikTok-Auftritte, schon tot gesagt,
Nicolai Franz: also wer vor einem halben Jahr noch gesagt hätte,
Nicolai Franz: die Linkspartei, die zieht ordentlich ja um die 10 Prozent, zieht die ins Parlament
Nicolai Franz: ein, hätte gesagt, ja kannst du ausgehen, die Sarah Wagenknecht ist die neue Shootingstar.
Nicolai Franz: Es ist genau andersrum gekommen, Heidi Reichenegg, sehr erfolgreich auf TikTok
Nicolai Franz: mit Videos und so, die junge Menschen für die linke Sache begeistert haben.
Nicolai Franz: Gleichzeitig spürt man dann doch, dass in diesen Kreisen es zumindest viele
Nicolai Franz: gibt, die sich sehr stark pro-palästinensisch äußern.
Nicolai Franz: Aber nicht in dem Sinne, ich habe dann auch viel Verständnis für das israelische
Nicolai Franz: Leid, sondern sehr einseitig das Tun.
Nicolai Franz: Jetzt haben Sie gerade dieses Thema angesprochen, links sein bedeutet,
Nicolai Franz: auf der Seite des Schwächeren zu stehen.
Nicolai Franz: Mein Eindruck ist, das können Sie jetzt gerne korrigieren, mein Eindruck ist,
Nicolai Franz: dass es dann gerade bei den Jüngeren,
Nicolai Franz: die vielleicht nicht so aus der Gewerkschafter-Ebene kommen,
Nicolai Franz: also ich sage mal jetzt das, wie Sie zum Beispiel,
Nicolai Franz: man setzt sich für Arbeiter ein, für gute Arbeitnehmerrechte,
Nicolai Franz: für soziale Gerechtigkeit, Sondern dass man vielleicht eher von einem akademischeren
Nicolai Franz: linkspolitischen Weltbild auch kommt.
Nicolai Franz: Vielleicht auch von der Uni kommt und dann so seine Deutung mitbringt und dann
Nicolai Franz: das gar nicht so hinkriegt.
Nicolai Franz: Beide Seiten wirklich so zu beleuchten. Also vielleicht irre ich mich da auch
Nicolai Franz: total, das ist zumindest mein Eindruck, den ich gerade habe,
Nicolai Franz: dass man sich so stark ideologisch auf eine Seite schlägt, auch Greta,
Nicolai Franz: die dann in den Gazastreifen segeln will,
Nicolai Franz: das aber auch nicht hinkriegt, was ja von vornherein auch klar war,
Nicolai Franz: wo es dann auch Debatten gab, ob jetzt irgendein queeres Mitglied dann mitfahren darf.
Nicolai Franz: Also wo man nicht merkt, dass Islamismus, wofür die Hamas ja steht,
Nicolai Franz: und Terrorismus eigentlich das Gegenteil ist von dem, wir stehen auf der Seite des Schwachen.
Nicolai Franz: Warum verstehen das die Älteren anders als die Jüngeren?
Nicolai Franz: Ist das die Nähe zum Dritten Reich, die noch mehr da ist, das Geschichtsbewusstsein?
Nicolai Franz: Oder wie würden Sie das sehen?
Bodo Ramelow: Ich glaube, so einfach lässt es sich nicht erklären. Ich glaube tatsächlich,
Bodo Ramelow: auch die Schilderung, wie Sie unsere
Bodo Ramelow: Partei im Moment einschätzen in der Durchmischung, stimmt nicht mehr.
Bodo Ramelow: Das war eine Zeit lang so, dass wir ein sehr städtisches Milieu und ein sehr
Bodo Ramelow: hochschullastiges Milieu hatten. Jetzt sind sehr viele Berufstätige einfach schlicht eingetreten.
Bodo Ramelow: Für die sind diese ganzen Debatten eher fremd.
Bodo Ramelow: Also auch das, über was wir jetzt die ganze Zeit reden, glaube ich,
Bodo Ramelow: wird für eine Krankenschwester gar nicht die Relevanz haben.
Bodo Ramelow: Die will wissen, wird sie im Bundestag vertreten.
Bodo Ramelow: Und sie wird im Moment durch mindestens mal zwei aktive Krankenschwestern,
Bodo Ramelow: die in meiner Fraktion sind, ganz großartig vertreten.
Nicolai Franz: Und denen einer auch sogar, glaube ich, noch Schichten arbeitet.
Bodo Ramelow: Ja, so ist es. Und deswegen sage ich, wir sind gerade in einem Prozess,
Bodo Ramelow: also eine Partei, die sich verdoppelt.
Bodo Ramelow: 60 auf 120.000. Eine Partei dieser Veränderung hat noch keine abschließende Settlung.
Bodo Ramelow: Da ist noch nicht das, was man eine gesetzte Partei nennt, sondern es ist noch eine suchende Partei.
Bodo Ramelow: Deswegen debattieren wir auch solche Sachen. Also die GDA-Debatte zum Beispiel, also IRA oder GDA.
Nicolai Franz: Also die Erklärung zum Antisemitismus.
Bodo Ramelow: Ja, da habe ich gesagt, das hätte auf dem Parteitag so gar nicht passieren dürfen.
Bodo Ramelow: Nicht, dass man sie nicht diskutiert. Also ich könnte Ihnen jetzt auch erklären,
Bodo Ramelow: warum auch die Art, wie die IRA angewendet wird, nicht wie sie wissenschaftlich
Bodo Ramelow: definiert ist, weil mit der habe ich kein Problem.
Bodo Ramelow: Die Art, wie der Staat sie anwendet, sie verkürzt, wie er nämlich dann andere
Bodo Ramelow: Teile wieder rauslässt, instrumentalisiert sie auch.
Bodo Ramelow: Und dass das dann auf dem Parteitag mit pro-palästinensischen Fahnen vor der
Bodo Ramelow: Tür, mit Sprechchören, die vor der Tür stattgefunden haben, gegen Delegierte,
Bodo Ramelow: die dann attackiert worden sind.
Bodo Ramelow: Also meine Landesvorsitzende damals ist sogar namentlich öffentlich da gebranntmarkt worden.
Bodo Ramelow: Dabei stand sie da und die haben nicht mal gemerkt, dass sie da steht.
Bodo Ramelow: Das heißt, sie haben gar nicht gewusst, über wen sie reden.
Bodo Ramelow: Das heißt, wir haben es auch teilweise in einer derartigen Dynamik von einer
Bodo Ramelow: Vergrößerung einer Partei auch mit dem Einsickern von Andersdenkenden zu tun.
Bodo Ramelow: Die dann sagen, das ist eine tolle Geschichte, da kann man mal andocken und
Bodo Ramelow: kann mal schön mitmischen.
Bodo Ramelow: Und dann kommt das Gefühl, wir sind auf der Seite der Schwächeren,
Bodo Ramelow: das wird dann bedient. Diese Konflikte haben wir überall.
Bodo Ramelow: Und in dem Moment, wo sich jemand wie ich klar erkennbar macht, polarisiert das.
Bodo Ramelow: Es gibt im Moment 20 Jugendgruppen der Solid, die den Ausschluss von mir aus der Partei fordern.
Bodo Ramelow: Deren Konzept allerdings, das sie vorlegen, ist eine Einstaatenlösung.
Nicolai Franz: Also aufgrund ihres, in Anführungsstrichen, Zionismus und Theonozidläutern und so.
Bodo Ramelow: Alles, was sie damit noch dazu definieren, ist mir auch alles wurscht.
Bodo Ramelow: Ich will nur sagen, ich halte das gut aus, weil ich sage, auch der Prozess des
Bodo Ramelow: Lernens und des Durchlebens ist notwendig.
Bodo Ramelow: Den können wir uns nicht ersparen, weil er ist nicht anordnungsfähig.
Bodo Ramelow: Der ist nur am Ende aushaltbar, wenn wir ihn durchleben und dann auch durchdringen.
Bodo Ramelow: Und jetzt will ich nochmal sagen, der springende Punkt, die kommen jetzt mit
Bodo Ramelow: dem Papier, da heißt Einstaatenlösung und dann entsteht ein sozialistisches Palästina,
Bodo Ramelow: ein befreites sozialistisches Palästina, bei dem selbstverständlich Jüdinnen
Bodo Ramelow: und Juden noch leben dürfen.
Bodo Ramelow: Also dann sage ich, vielen Dank, dann habt ihr von Hamas und Hisbollah und den
Bodo Ramelow: Kräfteverhältnissen gar nichts verstanden.
Bodo Ramelow: Und dann seid ihr auf dem Weg, euch eine Welt zu träumen, bei der ihr sagt,
Bodo Ramelow: ihr steht auf der Seite der Schwächeren, aber ihr sorgt dafür,
Bodo Ramelow: dass die Schwächeren immer mehr geschwächt werden.
Bodo Ramelow: Deswegen muss man durch diesen Konflikt durch.
Bodo Ramelow: Ich gehe davon aus, dass das der Prozess ist.
Bodo Ramelow: Mein Bundesvorsitzender Jan van Aken hat auf bestimmte Vorkommnisse in Neukölln
Bodo Ramelow: dann im Sommerinterview gesagt, die Hamas ist eine faschistische Organisation
Bodo Ramelow: und mit Faschisten machen wir nichts.
Bodo Ramelow: Und diese Klarheit würde ich mir dann einfach wünschen.
Nicolai Franz: Das trifft dann aber, also wenn man sich dann auch so die Kommentare so anschaut im Netz,
Nicolai Franz: aus der politischen Linken auftaucht, nicht gerade auf Gegenliebe,
Nicolai Franz: oder was heißt Gegenliebe, aber auf positive Reaktionen, im Gegenteil, wenn sowas kommt.
Nicolai Franz: Weil es ja dieses Bild, Israel bringt Kinder um, Israel betreiben Genozid am,
Nicolai Franz: palästinensischen Volk,
Nicolai Franz: das ist ja, glaube ich, so festgesetzt in den Köpfen, dass man,
Nicolai Franz: wenn dann jemand von außen kommt und sagt, nee, die sind gar nicht so schlimm
Nicolai Franz: oder sowas, du musst es mal ein bisschen differenzierter sehen,
Nicolai Franz: die glauben ja daran, dass Israel mit Absicht Kinder tötet.
Bodo Ramelow: Aber Entschuldigung, das ist doch eine Geschichte, die wir bei Evangelikalen
Bodo Ramelow: in der Radikalität von Amerika, die habe ich in Hebron erlebt, genauso daherkommt.
Bodo Ramelow: Nur in umgekehrter Versuchsanordnung.
Bodo Ramelow: Oder wenn Peter Thiel sagt, Israel, also Eretz Israel als Großisrael muss entstehen,
Bodo Ramelow: Damit Jesus wiederkommt. Das heißt, er missbraucht oder diese Leute missbrauchen
Bodo Ramelow: auch die Jüdinnen und Juden auch nur für ihre Interessenlagen.
Bodo Ramelow: Also auf meiner Seite, in linken Kreisen wird es dann mit Palästinensern gemacht
Bodo Ramelow: und in den evangelikal-radikal-evangelikalen Kreisen wird es andersrum gemacht.
Bodo Ramelow: Am Ende wird das Gebiet und deswegen sage ich immer, Jerusalem ist der Ort,
Bodo Ramelow: in dem alle abrahamitischen Religionen entstanden sind.
Bodo Ramelow: Alle abrahamitischen Religionen ihre Wurzeln haben.
Bodo Ramelow: Und solange wir zulassen, dass wir uns gegenseitig den Gott uns um die Ohren
Bodo Ramelow: hauen, wird kein Gottvertrauen entstehen, sondern wird nur Hass entstehen.
Bodo Ramelow: Und die Steine von Jerusalem sind so blutig über Jahrtausende.
Bodo Ramelow: Und eigentlich könnte es das Zeugnis
Bodo Ramelow: sein, dass es eine Weltstadt wird des Ausgleichs, des Miteinanders.
Bodo Ramelow: Also vielleicht sollte man dann den Dalai Lama zum Oberbürgermeister machen,
Bodo Ramelow: aber nicht den, den China einsetzt, weil die versuchen jetzt auch,
Bodo Ramelow: das noch kaputt zu machen.
Nicolai Franz: Okay, ich war kurz davor, dass wir eine Pressemitteilung planen.
Nicolai Franz: Ramelow fordert Dalai Lama als Bürgermeister von Jerusalem. Aber das lassen wir dann mal bleiben.
Nicolai Franz: Aber wir reden ja jetzt gerade über die Linken, wobei das mit Peter Thiel haben
Nicolai Franz: wir auch was zu veröffentlicht und amerikanische Evangelikale auch ein sehr
Nicolai Franz: spannendes Thema ist, weil sie sind ja jetzt ja auch als Bürger.
Nicolai Franz: Und auch als Experte für Die Linke im Podcast.
Nicolai Franz: Deswegen würde mich dann schon nochmal interessieren, gerade auch,
Nicolai Franz: weil sie diese Erfahrung gemacht haben.
Nicolai Franz: Da haben sie in einem Podcast von einem Chat berichtet, wo sie mit einer jungen
Nicolai Franz: Aktivistin zu tun hatten, wo sie sagten,
Nicolai Franz: die schickte mir die ganze Zeit Bilder von getöteten palästinensischen Kindern
Nicolai Franz: mit dem Hinweis, daran war Israel schuld.
Nicolai Franz: Und sie haben ihr dann vorgeworfen, nach eigenen Worten, merkst du gerade,
Nicolai Franz: dass du auf dem Weg bist zu sagen, der Jude frisst Kinder.
Nicolai Franz: Also das sei wirklich nah am Antisemitismus des Nationalsozialismus.
Nicolai Franz: Darauf gab es dann sehr scharfe Reaktionen aus ihrer eigenen Partei,
Nicolai Franz: auch von Heidi Reichenegg,
Nicolai Franz: die sogar gesagt hat, das sei hochproblematisch gewesen, was sie da gesagt haben
Nicolai Franz: und es tut dem Bodo Ramelow bestimmt auch leid und so und sie wolle ihn jetzt
Nicolai Franz: aber auch nicht verhindern.
Nicolai Franz: Der Menge zum Fraß vorwerfen. Also was ja schon ein bisschen krass auch formuliert ist.
Nicolai Franz: Aber das zeigt ja schon, dass es so eine Kluft gibt.
Bodo Ramelow: Nee, da irren Sie sich. Da irren Sie sich. Sie beschreiben das.
Bodo Ramelow: Eine Kluft gibt in der Letztpartei, was dieses Thema angeht.
Bodo Ramelow: Nein, Sie bauen ein Bild auf.
Bodo Ramelow: Und Sie wollen von mir die Antwort nicht haben. Das gefällt mir nicht.
Nicolai Franz: Ich würde gerne einfach wissen, wie Sie dazu denken.
Bodo Ramelow: Ich versuche es ja zu erklären. Weil sie haben jetzt sehr lange ausgeführt,
Bodo Ramelow: was sie alles gelesen haben. Und das bestätige ich alles.
Bodo Ramelow: Und danach gab es sehr viele Aussprachen, auch in der Fraktion.
Bodo Ramelow: Und auf einmal gab es auch ein Respekt, auch von Heidi Reichenegg,
Bodo Ramelow: dass ich gegenüber der Fraktion gesagt habe, es tut mir leid,
Bodo Ramelow: das mit dieser scheiß Hamas-Zuordnung von dem Kinderbild hätte ich nicht sagen dürfen.
Bodo Ramelow: Nicht, weil es nicht stattgefunden hat, sondern weil dieses Zitat am Ende gegen
Bodo Ramelow: mich verwendet worden ist.
Bodo Ramelow: Deswegen ist es ja aus dem Podcast auch rausgeschnitten worden und vorne dran
Bodo Ramelow: gestellt worden, damit es ja spektakulär daherkommt.
Bodo Ramelow: Wenn man es hinten eingeordnet in Fließtext hört, kann man sagen,
Bodo Ramelow: er erzählt einen Konflikt.
Bodo Ramelow: Ich habe auch einen Konflikt erzählt, der hat auch real so stattgefunden.
Bodo Ramelow: Und dieser Konflikt hat mich auch bewegt, weil ich gespürt habe,
Bodo Ramelow: dass mit der ständigen Bildgebung, die zu dieser Zeit von der Hamas gesteuert
Bodo Ramelow: auch in die Welt gesetzt worden ist,
Bodo Ramelow: am Ende die Menschen alle emotional genau darauf reagieren sollten.
Bodo Ramelow: Umgekehrt hat die israelische Regierung nichts mehr getan, damit Journalisten
Bodo Ramelow: in dem Gebiet eigenständig arbeiten konnten.
Bodo Ramelow: Umgekehrt hat die israelische Regierung angeordnet, dass Journalisten ermordet
Bodo Ramelow: worden sind. Das habe ich in der gleichen Schärfe gesagt.
Bodo Ramelow: Das Problem ist, dass die Aktivistin mit mir aber trotzdem nicht reden wollte.
Bodo Ramelow: Die wollte auch darüber nicht mit mir reden, sondern sie war der festen Überzeugung,
Bodo Ramelow: nur Israel tötet Kinder, weil bewusst Kinder getötet werden sollen.
Bodo Ramelow: Und das Ermorden von Kindern eine vorsätzliche Tat ist, dass die Zivilisten,
Bodo Ramelow: die dort sterben, einfach eine Katastrophe sind und in der Dimension möglicherweise
Bodo Ramelow: auch Kriegsverbrechen sind, ist dabei völlig weg.
Bodo Ramelow: Und was mich auch ärgert ist, wenn dann mit Begriffen wie Genozid auf einmal
Bodo Ramelow: inflationär gearbeitet wird und die Frage von Lemken, der das entwickelt hat,
Bodo Ramelow: gar nicht mehr thematisiert wird.
Bodo Ramelow: Also dass Ralf Lemken nicht mal mehr erwähnt wird, dass ein jüdischer Wissenschaftler,
Bodo Ramelow: der den Begriff Genozid entwickelt hat für die Nürnberger Prozesse,
Bodo Ramelow: dass der nicht mal mehr erwähnt wird.
Bodo Ramelow: Dass Herr Schlauterbach, der das Gegenmodell entwickelt hat mit den Verbrechen
Bodo Ramelow: gegen die Menschlichkeit, Ein jüdischer Wissenschaftler, der den zweiten Teil entwickelt hat,
Bodo Ramelow: dass auf dieser Basis dieser beiden Völkerrechtler die beiden jüdischen Juristen
Bodo Ramelow: Fritz Bauer und Gabriel Bach.
Bodo Ramelow: Den Eichmann gestellt haben. Fritz Bauer hat ihn gestellt und Gabriel Bach ist der Ankläger in Israel.
Bodo Ramelow: Dass diese Menschen einfach weggeblendet werden und dass man dann einfach den
Bodo Ramelow: Begriff Genozid rausnimmt und sagt, den benutzen wir jetzt gegen Israel.
Bodo Ramelow: Das treibt mich dann um.
Bodo Ramelow: Und deswegen sage ich, diese Diskussion habe ich auch in der Fraktion geführt.
Bodo Ramelow: Das war der Grund, warum ich jetzt interveniert habe und gesagt habe,
Bodo Ramelow: Ihr Bild, Sie beschreiben es richtig, Aber es gab daraus eine richtig intensive Debatte.
Bodo Ramelow: Und diese Debatte hat geholfen, ein wenig mehr Verständnis zu entwickeln.
Bodo Ramelow: Ich versuche das auch mit dieser Aktivistin immer noch.
Bodo Ramelow: Ich gebe nicht auf, weil ich immer noch sage, ich will, dass wir ein Verständnis entwickeln.
Bodo Ramelow: Und der Ausgangspunkt, der bei mir immer bleibt, was ist die Hamas für eine
Bodo Ramelow: Organisation und was hat sie im Gazastreifen angekündigt?
Bodo Ramelow: Und was hat sie am 7. Oktober tatsächlich für Verbrechen begangen?
Bodo Ramelow: Und dann muss man wieder betrachten, was sind die Lösungsansätze?
Bodo Ramelow: Ist es wirklich richtig, mit immer mehr militärischer Gewalt zu glauben,
Bodo Ramelow: dass man das irgendwie zu einem Guten wenden kann?
Bodo Ramelow: Und ich bleibe dabei, dass jede Form von militärischer Interaktion am Ende nur
Bodo Ramelow: zu noch mehr militärischer Interaktion führt.
Bodo Ramelow: Und davor habe ich einfach vor dieser Spirale der Gewalt, habe ich einfach Angst.
Nicolai Franz: Ist es denn bei diesen Gesprächen auch zu einer Einigung gekommen,
Nicolai Franz: weil sie sagt, es gibt da keine Kluft oder so, ob es zum Beispiel einen Genozid gibt?
Bodo Ramelow: Ich habe da keine Lust, mich zu einigen. Weil man kann sich dazu nicht einigen.
Bodo Ramelow: Also ich habe jetzt auch gelesen, dass es da eine Definitionseinigung gegeben
Bodo Ramelow: hat, der größten Genozidforscherinstitution.
Bodo Ramelow: Und dann lese ich, dass da auch ein Adolf Hitler mit abgestimmt haben soll. Dann bin ich irritiert.
Bodo Ramelow: Nein, die Frage, ob ein Genozid stattfindet oder stattgefunden hat,
Bodo Ramelow: wenn wir das Völkerrecht anwenden, müssen wir auch in diesem Fall dem Internationalen
Bodo Ramelow: Strafgerichtshof den Respekt zollen und sagen, dann muss er das tun.
Bodo Ramelow: Und deswegen ist die Frage, was ist eigentlich mit den Haftbefehlen gegen die
Bodo Ramelow: Hamas und gegen Netanjahu.
Bodo Ramelow: Das ist keine Spielvariante. Da kann man nicht einfach nur mal sagen,
Bodo Ramelow: also jetzt wenden wir ihn bei Netanjahu nicht an.
Bodo Ramelow: Wir müssen aufpassen, dass wir das Völkerrecht wir nicht selber wieder anwenden, wie wir lustig sind.
Bodo Ramelow: Ich bin dabei, ich lasse mich gerne in der Frage, ist es ein Genozid oder nicht,
Bodo Ramelow: vom Internationalen Strafgerichtshof am Ende, nachdem sie es begutachtet haben
Bodo Ramelow: und alle Beweise ausgewertet haben.
Bodo Ramelow: Danach werde ich das Urteil, die Beurteilung aufnehmen. Aber ich selber habe
Bodo Ramelow: keine Lust, dass wir an Stammtischen darüber abstimmen.
Bodo Ramelow: Ich muss Ihnen aber sagen, ich habe gestern ein langes Gespräch mit einem Major
Bodo Ramelow: der israelischen Armee gehabt.
Bodo Ramelow: Was der mir erzählt hat, ist alles für mich im Bereich der Verbrechen gegen
Bodo Ramelow: die Menschlichkeit einzuordnen.
Bodo Ramelow: Also gefesselte Palästinenser, die in israelische Armeeuniformen gesteckt werden,
Bodo Ramelow: die Hände gefesselt werden und sie werden dann vor die Mannschaften gepackt,
Bodo Ramelow: die in die Tunnel reingehen und mit der Waffe von hinten getrieben,
Bodo Ramelow: um sie als menschliche Schutzschilder zu benutzen.
Bodo Ramelow: Ich zitiere den Major, der das gestern mir alles sehr glaubwürdig,
Bodo Ramelow: naja, jemand der fünf Jahre gedient hat.
Bodo Ramelow: Ich habe mit Ami Ayalon, das war der langjährige Chef des Geheimdienstes und
Bodo Ramelow: der war der Kommandeur der Marine,
Bodo Ramelow: mit dem habe ich ein dreistündiges Gespräch gehabt, der sagt mir ganz klar,
Bodo Ramelow: wenn ihr in Deutschland jetzt nicht viel mehr Druck macht in Richtung Zwei-Staaten-Lösung,
Bodo Ramelow: dann werden wir auch innerhalb der israelischen Bevölkerung irgendwann keine
Bodo Ramelow: Veränderungsprozesse mehr haben,
Bodo Ramelow: die überhaupt eine Chance des Ausgleichs miteinander ermöglicht.
Nicolai Franz: Das Thema ist sehr, sehr umkämpft. Es geht auch sehr heiß zu auf den Demonstrationen,
Nicolai Franz: wenn es um dieses Thema geht.
Nicolai Franz: Und wir spüren, es wird uns auch noch weiter beschäftigen. Vielleicht kann man
Nicolai Franz: jetzt einmal ganz kurz durchatmen, weil es sonst einen sehr abrupten Wechsel
Nicolai Franz: gibt zu Ihren Aufgaben als religionspolitischen Sprecher.
Bodo Ramelow: Ich würde sagen, wir haben über Rom noch nicht geredet und über meine Arbeit
Bodo Ramelow: überhaupt noch kein Wort.
Nicolai Franz: Ja, das stimmt. Da kommen wir jetzt dann zu. Sie sind ja vor kurzem nicht nur
Nicolai Franz: in Jerusalem und in Tel Aviv und sonst wo auch noch gewesen in Israel,
Nicolai Franz: sondern sie waren auch in Rom bei Papst Leo XIV.
Nicolai Franz: Den neuen Papst, der ja auch schon der dritte Papst ist, den Sie getroffen haben,
Nicolai Franz: im Rahmen einer Generalaudienz.
Nicolai Franz: Da hat man ja meistens nicht so viel Zeit, aber man kann so ein bisschen sein
Nicolai Franz: Gegenüber kennenlernen, so ein paar Wortwechsel machen.
Nicolai Franz: Wie war das denn für Sie, so als linker Protestant den Papst zu treffen?
Bodo Ramelow: Erstmal, ich war mit einer Pilgerreise unterwegs, der evangelischen Kirchenzeitung,
Bodo Ramelow: der mitteldeutschen Kirchenzeitung Glaube und Heimat.
Nicolai Franz: Großartige Kollegen.
Bodo Ramelow: Und der Chefredakteur Willi Wild hatte mich vor einem Jahr gefragt,
Bodo Ramelow: ob ich Lust hätte, an der Pilgerreise teilzunehmen, weil es wäre das heilige Jahr,
Bodo Ramelow: die heilige Pforte wäre offen und wir wollten auf zehn Jahre gemeinsam uns nochmal
Bodo Ramelow: aufmachen, weil zehn Jahre zurück war meine Privataudienz bei Franziskus.
Bodo Ramelow: Und aus der Idee, die mir erst wie eine Schnapsidee vorkam, dann mir aber gefallen
Bodo Ramelow: hat, meine Frau war begeistert, haben wir dann angefangen mitzuplanen.
Bodo Ramelow: Und in der Tat, da hätte ich nicht gedacht, als wir angefangen haben zu planen,
Bodo Ramelow: dass ich im Bundestag lande, dass ich Vizepräsident werde, dass ich religionspolitischer
Bodo Ramelow: Sprecher wieder meiner Bundestagsfraktion werde.
Bodo Ramelow: Das hätte ich alles nicht gedacht. Und dass der Papst ein neuer Papst sein wird,
Bodo Ramelow: war auch nicht bei uns vorhersehbar.
Bodo Ramelow: Also von daher sind viele Dinge geschehen in den zwölf Monaten Planungszeit Pilgerreise.
Bodo Ramelow: Und als es dann so weit war...
Bodo Ramelow: Ich fragte dann Willi Wild, ob wir eine Chance hätten, irgendwie zur Generalaudienz
Bodo Ramelow: zu kommen, weil wir seien ja in der Woche da, wo die große Generalaudienz ist.
Bodo Ramelow: Und da habe ich mal meine Kontakte spielen lassen.
Bodo Ramelow: Und es hat geklappt und wir wurden komplett reingelotst.
Nicolai Franz: Ihre Kontakte in den Vatikan?
Bodo Ramelow: Ja, meine persönlichen Kontakte haben getragen,
Bodo Ramelow: sodass wir auch von meiner Kontaktperson als gesamte Pilgergruppe hinten herum
Bodo Ramelow: durch den Vatikan hineingeführt wurden, sodass wir auch vorne Platz nehmen konnten.
Bodo Ramelow: Und Willi Wild, meine Frau und ich, hatten dann Gelegenheit,
Bodo Ramelow: oben in dem oberen Bereich sitzen zu dürfen, in der Sakrada,
Bodo Ramelow: wo man dann tatsächlich auch mit dem Papst ins Gespräch kommt.
Bodo Ramelow: Und ich hatte ausreichend Zeit zu sehen. Er hat erst mit seinen Kardinälen geredet.
Bodo Ramelow: Er hat dann bei den Menschen, die alle ein Handicap haben, mit denen hat er
Bodo Ramelow: sich hinbegeben und hat sie gesegnet.
Bodo Ramelow: Das hat mich sehr beeindruckt. Und dann kam die erste Gruppe,
Bodo Ramelow: die nach oben gehen konnte.
Bodo Ramelow: Dann kamen wieder die Menschen, die als frisch Verheiratete da waren, die gesegnet wurden.
Bodo Ramelow: Also der Papst hat da schon eine Menge zu tun.
Bodo Ramelow: Und bis wir dann dran waren, sind wir zu dritt hin und haben ihm die Einladung
Bodo Ramelow: des evangelischen Bischofs Kramer von der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands mitgebracht,
Bodo Ramelow: dass doch der Augustiner Mönch Leo einen Besuch machen sollte im Augustiner Kloster in Erfurt,
Bodo Ramelow: sodass er auf einen berühmten Vor-Augustiner trifft, nämlich Martin Luther.
Nicolai Franz: Ich wollte gerade sagen, dass er vielleicht dann doch noch...
Bodo Ramelow: Nein, meine Hoffnung ist ja eher, dass es in der Ökumene so ist,
Bodo Ramelow: dass wir auch die Eucharistie gemeinsam gut uns genehmigen, gestatten,
Bodo Ramelow: denn es ist das Leib Christi.
Bodo Ramelow: Und ich bin da schon eigentlich eher jemand, der sagt, ich will weder den Papst
Bodo Ramelow: katholisch machen, noch wird der Papst mich katholisch machen.
Bodo Ramelow: Aber mein Gottesglauben ist so, dass ich froh bin, den Papst getroffen haben
Bodo Ramelow: zu können. Die Einladung haben wir ihm übermittelt, wir haben ein paar Worte
Bodo Ramelow: miteinander gewechselt.
Bodo Ramelow: Ich glaube aber, dass Papst Leo XIV. tatsächlich jemand ist,
Bodo Ramelow: der jetzt sehr viel tun muss, um seine Weltkirche zusammenzuhalten,
Bodo Ramelow: weil die Bewegungen, die wir auf der ganzen Welt haben, die Polarisierung,
Bodo Ramelow: das Gegeneinander stehen,
Bodo Ramelow: durchdringt ja auch die katholische Kirche.
Bodo Ramelow: Also auch in der amerikanischen katholischen Kirche gibt es ja gegeneinander
Bodo Ramelow: laufende Mechanismen und Wirkungen.
Bodo Ramelow: Und deswegen glaube ich tatsächlich, dass Leo einiges tun wird.
Bodo Ramelow: Ich glaube auch, dass er es tun wird, um ein...
Bodo Ramelow: Ein Dach in der Weltkirche zusammenzuhalten, bei der der Glaube der Menschen
Bodo Ramelow: das tragende Element ist.
Bodo Ramelow: Und die zweite Geschichte, die ich anmerken will, neben der Generalaudienz,
Bodo Ramelow: die uns alle sehr berührt hat, gab es aber noch einen ganz entscheidenden Besuch bei Sant'Egidio.
Bodo Ramelow: Wir waren bei Sant'Egidio und Cesare Zucconi hat uns erstmal zwei Stunden über
Bodo Ramelow: die Arbeit der Gemeinschaft erklärt und Rede und Antwort gestanden und wir saßen in dem Raum,
Bodo Ramelow: in dem Sant'Egidio den Frieden von Mosambik verhandelt hat.
Bodo Ramelow: Das hat meine Pilgergruppe sehr beeindruckt.
Bodo Ramelow: Und dann sind wir alle zusammen in den Gottesdienst und haben der Bibellesung bei St.
Bodo Ramelow: Egidio gelauscht und diese große Kirche, weil die kleine Kirche reicht dazu
Bodo Ramelow: gar nicht mehr aus, die große Kirche war brechenvoll.
Bodo Ramelow: Und für meine mitreisenden Pilger, die Pastoren sind in kleinen ostdeutschen
Bodo Ramelow: Gemeinden, war das schon ein spannendes Gefühl.
Bodo Ramelow: Und als die Frage von einem kam, ist das immer mittwochs oder?
Bodo Ramelow: Und die Antwort war, nee, ist es jeden Abend? Das hat ihn doch sehr beeindruckt.
Bodo Ramelow: Und dieses Gefühl, dass diese Sant'Egidio-Gemeinde einfach so viel Kraft aufbricht,
Bodo Ramelow: entwickelt und ausstrahlt. Und schon beim Hingehen, als wir zu Cesares Termin
Bodo Ramelow: gegangen sind und wir gehen auf das Gebäude, in dem San Egidio residiert,
Bodo Ramelow: zu und da ist eine Sitzbank davor und auf der Sitzbank liegt Jesus Christus als Obdachloser.
Bodo Ramelow: Und das ist ein Kennzeichen für Sant'Egidio. Die Arbeit für Menschen,
Bodo Ramelow: die Arbeit mit Menschen und die Hauptarbeit, die Sant'Egidio auf der ganzen
Bodo Ramelow: Welt immer wieder praktiziert, ist Mitmenschlichkeit.
Bodo Ramelow: Also das, was ich bei den vier Beduinen auch erlebt habe. Die könnten auch Mitglieder
Bodo Ramelow: von Sant'Egidio werden.
Bodo Ramelow: Ich fühle mich auch eingeladen, im Geiste von Sant'Egidio unterwegs zu sein.
Bodo Ramelow: Deswegen sind so die beiden Hauptpunkte, die ich erlebt habe,
Bodo Ramelow: Aber einmal die Generalaudienz und andererseits die vielen Gespräche,
Bodo Ramelow: die wir hatten im Radio Vatikan, erklärt zu kriegen, was es heißt in 52 verschiedenen
Bodo Ramelow: Sprachen, was es heißt über Mittelwelle und Langwelle nach Nordkorea Gottes
Bodo Ramelow: Segen zu senden und nach China,
Bodo Ramelow: was alles sehr komplex und kompliziert ist und was deutlich macht.
Bodo Ramelow: Weltkirche ist nochmal anders unterwegs. Das war aber spannend.
Bodo Ramelow: Wir haben überall geöffnete Türen gehabt, haben später noch mit dem Botschafter
Bodo Ramelow: der Europäischen Gemeinschaft ein langes Gespräch gehabt, auch über das Weltfoodprogramm,
Bodo Ramelow: die sitzen nämlich genau gegenüber,
Bodo Ramelow: und die Versorgung in Palästina.
Bodo Ramelow: Also über die Frage ganz konkret, wie geht eigentlich die Welt damit um,
Bodo Ramelow: dass die UNRWA als Hilfsorganisation auf einmal ausgeschlossen werden soll oder
Bodo Ramelow: als feindlich deklariert ist.
Bodo Ramelow: Die Frage also, wie wird das mit der Versorgung gemacht? Alle solche Themen
Bodo Ramelow: spielten auf einmal in diesen Gesprächen eine Rolle und deswegen sage ich,
Bodo Ramelow: ich bin sehr beschwingt aus Rom zurück.
Bodo Ramelow: Koffer gewechselt, Anzug gewechselt, ins nächste Flugzeug, zwischendrin noch
Bodo Ramelow: im Thüringer Landtag zu 35 Jahre Festveranstaltung Thüringer Landtag und dann weiter nach Israel.
Bodo Ramelow: Ja und jetzt steige ich eine meiner Arbeit wieder als religionspolitischer Sprecher.
Bodo Ramelow: Nächste Woche sind wieder ein paar Themen dran. Das werden dann Arbeiten sein,
Bodo Ramelow: die sich vom Kirchensteuerrecht übers Kirchenarbeitsrecht bis hin zur Frage,
Bodo Ramelow: wie gehen wir mit Gemeinnützigkeit um und all diesen Fragen Staatskirchenrecht.
Bodo Ramelow: Also Artikel 140 Grundgesetz, da steckt eine Menge Musik drin,
Bodo Ramelow: wo ich noch eine ganze Menge an Arbeit und Impulsen reinstecken möchte.
Bodo Ramelow: Aber eben immer unter dem Aspekt, ich bin bekennender Christ und ich mache es
Bodo Ramelow: im Interesse eines besseren Glaubensverständnisses.
Bodo Ramelow: Und ich glaube auch, dass das Staatskirchenverhältnis sich modernisieren muss.
Bodo Ramelow: Modernisieren muss, indem man nicht immer den Vorwurf hat, ihr seid nur Teil
Bodo Ramelow: des Staatssystems oder ihr seid nur Anhängsel von Kirche. Und die beiden Amtskirchen
Bodo Ramelow: alleine repräsentieren die Vielfalt des Glaubens auch nicht.
Bodo Ramelow: Also in dem Sinne bin ich da eher jemand, der Impulse stärken möchte.
Bodo Ramelow: Ich freue mich aber, da ich jetzt mittlerweile auch im evangelischen Kirchentag
Bodo Ramelow: ins Präsidium gewählt worden bin.
Bodo Ramelow: Ich bin gerade an einem Buch für den Bene Verlag mit Nina Brunetto dabei über
Bodo Ramelow: Glauben und über das Leben in der Gesellschaft in einer Phase,
Bodo Ramelow: in der wir immer weiter entkirchlichen.
Bodo Ramelow: Und trotzdem die Frage nach Gottvertrauen und Glauben eine immer größere Rolle spielt.
Nicolai Franz: Da haben Sie jetzt schon viele Themen angesprochen. Ich will nur ganz kurz nochmal
Nicolai Franz: zum Papst zurückkommen.
Nicolai Franz: Da Sie jetzt auch so den Vergleich haben, Benedikt, der vielleicht eher traditionelle,
Nicolai Franz: konservativere möglicherweise, Franziskus, der in kein so richtiges Schema eigentlich
Nicolai Franz: passte und immer für Überraschungen auch sorgte.
Nicolai Franz: Und jetzt haben wir dann aber einen neuen Papst, der ja, wenn seine Gesundheit
Nicolai Franz: mitspielt, ja sehr lange Papst sein könnte und auch wirklich die Kirche,
Nicolai Franz: die katholische Kirche entscheidend prägen könnte.
Nicolai Franz: Was hatten Sie denn von diesem kurzen Treffen für einen Eindruck von ihm?
Nicolai Franz: Wie würden Sie ihn beschreiben? Und würden Sie sagen, Sie haben Ihren Wunsch
Nicolai Franz: nach Frieden auch geäußert, haben Sie dann nachher geschrieben.
Nicolai Franz: Ist das jemand, der vielleicht leiser als andere, aber irgendwie beharrlich
Nicolai Franz: dann arbeiten wird und auch Erfolge zeigen wird, was auch in diesem Bereich ist?
Nicolai Franz: Also Weltkirche einerseits und auch vielleicht Friedenseinsatz und so?
Bodo Ramelow: Tja, das Friedensthema ist, glaube ich, das zentralste Moment auf der Welt.
Bodo Ramelow: Und zwar egal, aus welcher Blickrichtung man schaut.
Bodo Ramelow: Weil wir sehen ja, dass überall im Moment die Konflikte wieder hochkochen.
Bodo Ramelow: Und wir sehen, dass die Spirale der Rüstung auf vollen Touren ist.
Bodo Ramelow: Und es wird immer billiger, immer mehr Menschen ermorden zu können.
Bodo Ramelow: Also die Drohnentechnik löst Dinge aus, die für kleines Geld mittlerweile zur Normalität werden.
Bodo Ramelow: Das sollte uns alle eher besorgen. Und deswegen können wir gar nicht genug Friedensapostel
Bodo Ramelow: kriegen, die laut über Frieden nicht nur reden, sondern sich daran auch orientieren in ihrem Handeln.
Bodo Ramelow: Bei Franziskus war es zum Beispiel so, was mich tief beeindruckt hat,
Bodo Ramelow: dass er unmittelbar, nachdem er sein Amt übernommen hat,
Bodo Ramelow: diesen paradoxen Abendsgruß an die Gläubigen übersenkt, in Bonasera sagt und
Bodo Ramelow: irgendwie einen tief menschlichen Eindruck lässt.
Nicolai Franz: So flapsiger, als man das von einem Papst erwarten würde.
Bodo Ramelow: Und dann fährt er nach Lampedusa zu den Flüchtlingen.
Bodo Ramelow: Es hat mich sehr bewegt. Bei Benedikt war es was anderes.
Bodo Ramelow: Es war tatsächlich seine deutsche Predigt, als er in Deutschland war und von
Bodo Ramelow: der Entweltlichung der Kirche gesprochen hat.
Bodo Ramelow: Also das, was ich gerade vom Kirchenstaatsrecht gesprochen habe,
Bodo Ramelow: da fühle ich mich immer in den Spuren von Benedikt unterwegs.
Bodo Ramelow: Aber er hat natürlich hier im Eichsfeld große Spuren hinterlassen,
Bodo Ramelow: als er hier war, als er der Papstbesuch im Eichsfeld war.
Bodo Ramelow: Und für das Eichsfeld war das was sehr Besonderes.
Bodo Ramelow: Und deswegen habe.
Nicolai Franz: Ich im Moment… Nur für die Zuhörer, auch da hat Papst Benedikt damals darauf hingewiesen,
Nicolai Franz: dass die Kirche sich mehr auf den Glauben besinnen soll und weniger in diesen
Nicolai Franz: institutionellen Strukturen und so denken soll,
Nicolai Franz: was ja gerade in Deutschland sehr ausgeprägt ist.
Bodo Ramelow: Das ist so. Das Staatskirchenrecht hier ist noch sehr ineinander verzahnt.
Bodo Ramelow: Ich sage das ausdrücklich nicht als jemand, der damit die Kirche schmälern möchte,
Bodo Ramelow: sondern ich sage das, weil da der Prozess noch nicht beendet ist.
Bodo Ramelow: Ich sage Ihnen ein Beispiel, weil das fast unbekannt ist. Das ist die Kirchenbaulastverträge.
Bodo Ramelow: Die gelten in Ostdeutschland aktuell nicht. Und ich habe das als Ministerpräsident aushalten müssen.
Nicolai Franz: Können Sie das einmal kurz erklären?
Bodo Ramelow: Die Kirchenbaulastverträge kommen aus dem 17. Jahrhundert. Da steht dann drin,
Bodo Ramelow: dass die Gemeinde Drei-Fuder-Heu, fünf Klaffter Holz,
Bodo Ramelow: zum Heizen an die Kirchgemeinde, also an den Pfarrer zu übergeben hat und im
Bodo Ramelow: Übrigen der Erhalt der Kirche mit zu finanzieren ist.
Bodo Ramelow: Auf dieser Basis werden Kirchensanierungen vorgenommen.
Bodo Ramelow: In Hildburghausen hat ein CDU-Bürgermeister damals den Vertrag einfach zerrissen,
Bodo Ramelow: hat gesagt, der gilt für mich nicht und die evangelische Kirche hat gegen ihn
Bodo Ramelow: geklagt und hat beim Bundesverwaltungsgericht verloren.
Bodo Ramelow: Krachend verloren mit der Begründung, es steht nicht im Einigungsvertrag und
Bodo Ramelow: weil es nicht im Einigungsvertrag steht, könnte es nicht individualrechtlich gesichert werden.
Nicolai Franz: Und jetzt fehlt Ihnen Heu und Holz und jetzt müssen Sie gucken.
Bodo Ramelow: Wo Sie Heu und Holz herkriegen. Das Problem ist, dass über den Kirchenbaulastvertrag
Bodo Ramelow: die Städtebaufördermittel in Thüringen gezahlt worden sind, um Kirchen zu sanieren.
Bodo Ramelow: Und jetzt kommt die Kommunalaufsicht und
Bodo Ramelow: sagt, das gibt ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil, das dürfte nicht mehr.
Bodo Ramelow: Und jetzt gibt es nur in Ostdeutschland keine Kirchenbaulastverträge,
Bodo Ramelow: die derzeit eine Rechtskraft haben. Das hat sich nicht mal die SED getraut.
Bodo Ramelow: Das ist selbst zu DDR-Zeiten nicht infrage gestellt worden.
Bodo Ramelow: So, jetzt klagt die evangelische und die katholische Kirche in Thüringen,
Bodo Ramelow: das ist mit mir damals alles auch als MP besprochen worden,
Bodo Ramelow: auf 50 Euro die einen und auf 100 Euro die anderen oder irgendwie sowas,
Bodo Ramelow: nur um bis zum Bundesverfassungsgericht zu kommen, damit geklärt wird.
Bodo Ramelow: Es kann doch nicht sein, dass in Westdeutschland die Kirchenbaulastverträge
Bodo Ramelow: gelten und in Ostdeutschland nicht.
Bodo Ramelow: Das ist doch irre. Und deswegen sage ich, es gibt so ein paar Spezialisierungen,
Bodo Ramelow: in denen ich seit vielen Jahren unterwegs bin und das meine ich mit Modernisierung.
Bodo Ramelow: Weil am Ende helfen uns Verträge aus dem 17. Jahrhundert oder die Weimarer Reichsverfassung.
Bodo Ramelow: Also wir können jetzt mal den Verfassungstest machen. Ich sage,
Bodo Ramelow: sie beantworten mir, was im Artikel 140 Grundgesetz steht.
Nicolai Franz: Ablösung von Staatskirchenleistungen?
Bodo Ramelow: Da steht drin, es gelten die Artikel 136 bis 142 der Weimarer Reichsverfassung weiter.
Bodo Ramelow: Und dann müssen Sie da nachlesen und da steht drin, dass die Kirchen weiter
Bodo Ramelow: zu finanzieren sind, bis es ein Abschlussgesetz gibt.
Bodo Ramelow: Und schon in der Weimarer Reichsverfassung sollte das Abschlussgesetz damals
Bodo Ramelow: schon zeitnah erfolgen. Das ist jetzt 100 Jahre her.
Bodo Ramelow: Es wird langsam Zeit, dass das vielleicht mal bearbeitet wird.
Nicolai Franz: Das ist doch auch ganz klar, weil das immer alle Politiker und auch alle religionspolitischen
Nicolai Franz: Sprecher, mit denen wir sprechen, die sagen, natürlich, das ist jetzt unser
Nicolai Franz: Ziel, das wird auch gemacht und so.
Nicolai Franz: Und dann sagen die Bundesländer, nee, machen wir nicht. Das stimmt nicht.
Bodo Ramelow: Da widerspreche ich Ihnen. Ich bin Zeitzeuge, weil ich war Bundesland.
Bodo Ramelow: Und wir sind nicht gefragt worden. Wir sind nicht mal gefragt worden.
Bodo Ramelow: Und deswegen bin ich Insider. Ich glaube, entschuldigen Sie,
Bodo Ramelow: da werde ich jetzt ganz hartnäckig, weil ich finde das lax, wie Sie damit umgehen.
Bodo Ramelow: Dass den Bundesländern einfach der schwarze Peter zugeschoben wird.
Bodo Ramelow: Die Bundesländer zahlen Jahr für Jahr viele Millionen an die beiden Amtskirchen.
Bodo Ramelow: Und alle anderen Religionsgemeinschaften kriegen nichts.
Bodo Ramelow: Also insoweit muss man dann mal aufpassen, dass man nicht anfängt,
Bodo Ramelow: die Dinge zu verwechseln. Ich meine das schon tief ernst.
Nicolai Franz: Wir sind gerade ja ein bisschen nerdig unterwegs, weil ich glaube,
Nicolai Franz: viele wissen gar nicht, was Staatskirchenleistungen eigentlich sind.
Bodo Ramelow: Viel Geld.
Nicolai Franz: Es geht ja darum, dass Enteignungen...
Bodo Ramelow: Aus dem Reichsdeputationshauptbeschluss.
Nicolai Franz: Genau, Reichsdeputations. Das hat man auch im Geschichtsunterricht,
Nicolai Franz: hat man das schon auch gelernt.
Bodo Ramelow: Ich habe es im Staatskirchenrecht gelernt und zwar bitter, weil ich als Ministerpräsident
Bodo Ramelow: dafür die Verantwortung hatte.
Bodo Ramelow: Und ich habe die Verträge gerne verteidigt und ich habe sie auch eingehalten.
Bodo Ramelow: Aber ich finde es hochproblematisch, dass wir auf die Modernisierung nicht kommen.
Nicolai Franz: Ja, nur ganz kurz. Und das bedeutet daraus, dadurch, dass den Kirchen was weggenommen
Nicolai Franz: wurde, zum Beispiel Grundein,
Nicolai Franz: Ist der Staat verpflichtet, Staatskirchenleistungen zu zahlen,
Nicolai Franz: also Geld, was kontinuierlich fließt, wo man eine Verpflichtung dazu hat?
Nicolai Franz: Und jetzt ist der Auftrag, das abzulösen. Das bedeutet, es wird einmal zum Beispiel
Nicolai Franz: eine große Summe gezahlt an die Kirchen, um die dann ein für alle Mal zu entschädigen,
Nicolai Franz: also jetzt nicht jährlich oder so, sondern einmal die Summe und damit ist das
Nicolai Franz: dann auch abgeschlossen.
Nicolai Franz: Und dadurch, dass es unterschiedliche Landeskirchen gibt und Landesregierungen und so, müssen,
Nicolai Franz: da können Sie mich gerne natürlich korrigieren, werden Sie sowieso machen,
Nicolai Franz: aber da müssen sich eigentlich alle drauf einigen oder verschiedene Parteien
Nicolai Franz: müssen sich drauf einigen, damit es dann zu dieser Ablösung dann am Ende kommt.
Nicolai Franz: Und eigentlich sind sich alle einig, das steht ja dann auch in der Verfassung,
Nicolai Franz: dass das alle auch so wollen, aber es ist bisher noch nicht so weit gekommen.
Bodo Ramelow: Nochmal, Artikel 140 sagt, es gelten die Artikel 136 bis 142 der Weimarer Reichsverfassung weiter.
Bodo Ramelow: Ich finde, in einer Zeit, in der das Grundgesetz nach Artikel 146 endlich mal
Bodo Ramelow: abgestimmt werden sollte, ob es eine Verfassung ist, wird es auch Zeit,
Bodo Ramelow: das Staatskirchenrecht zu modernisieren und alle Glaubensgemeinschaften mit einzubeziehen.
Bodo Ramelow: Da geht es gar nicht um den Reichsdeputationshauptbeschluss,
Bodo Ramelow: da muss man materiell tatsächlich entschädigen, das ist für mich gar nicht der Punkt.
Bodo Ramelow: Aber die Frage, ob es wirklich richtig ist, noch über entzogene Flächen,
Bodo Ramelow: die man den früheren Bistümern entzogen hat, den Fürstbistümern,
Bodo Ramelow: also da wo unklar ist, ist es nicht eigentlich auch der Staat selber.
Bodo Ramelow: Und da hat man einfach dann die Klosterland entzogen und das hat man neu verteilt.
Bodo Ramelow: Das war eine sehr preußische Entscheidung, die das dann weiter geprägt hat.
Bodo Ramelow: Und ja, darauf sind dann Privilegierungen entstanden. Und ich weiß nicht,
Bodo Ramelow: warum wir zum Beispiel dann bestimmte Gehälter in der Kirche aus der Staatskasse bezahlen.
Bodo Ramelow: Das sind so Sachen, die sind so Fragestellungen, die damit verbunden sind.
Bodo Ramelow: Deswegen habe ich mit der harmlosen Kirchenbaulastfrage angeguckt.
Bodo Ramelow: Da habe ich Ihrem Gesicht angesehen, dass Sie gar nicht wussten, von was ich rede.
Nicolai Franz: Da haben Sie absolut richtig interpretiert.
Bodo Ramelow: Ja, absolut, kann ich ja verstehen. Deswegen sage ich ja, Sie reden mit einem
Bodo Ramelow: religionspolitischen Sprecher, der vorher Ministerpräsident war und in den Themen
Bodo Ramelow: mehrfach sehr aktiv und sehr stark eingebunden war.
Bodo Ramelow: Und ich glaube, hier geht es darum, einen besseren Weg zu finden.
Bodo Ramelow: Wir brauchen ein Gemeinnützigkeitsrecht, wir brauchen ein Staatskirchenrecht, das wirklich...
Bodo Ramelow: Am Ende sich auch daran orientiert, dass die islamischen Gemeinden auch wissen,
Bodo Ramelow: wie sie ihren Einzug absichern können, ohne dass wir ständig Imame von außen brauchen,
Bodo Ramelow: ohne dass wir den Weg selber gehen müssen.
Bodo Ramelow: Dasselbe heißt im Moment, da geht es um liberale Kantoren und Rabbiner,
Bodo Ramelow: da hat der Staat einfach jetzt im Moment mal das Geld gestrichen,
Bodo Ramelow: wo ich sage, das geht so nicht.
Bodo Ramelow: Es geht nicht, dass man nach Gutdünken mal eingreift und einzelnen Trägern mehr
Bodo Ramelow: Geld gibt und anderen einfach Geld wegnimmt.
Bodo Ramelow: Das ist eine Art, die halte ich für unzulässig.
Bodo Ramelow: Entweder sind uns alle Glaubenden gleich viel wert, ich rede jetzt aus der staatlichen
Bodo Ramelow: Sicht, dann müssen wir auch die Konsequenzen ziehen und den Rahmen dafür schaffen.
Bodo Ramelow: Luxemburg hat das gemacht. In Luxemburg gab es tatsächlich eine Neuordnung.
Bodo Ramelow: Da hat man die Ablösung vorgenommen und gleichzeitig die Kirchen,
Bodo Ramelow: die Gebäude auch als Aufgabe in den Stiftungsfonds hineingegeben,
Bodo Ramelow: damit der Erhalt gesichert wird.
Bodo Ramelow: Und ich bin dafür, dass wir, wir müssen Kirchen erhalten, wir müssen Orgeln
Bodo Ramelow: erhalten, wir müssen aber Kirchen auch öffnen als sozialen Raum.
Bodo Ramelow: Das heißt, wenn Kirchgebäude leer stehen, müssen wir auch Wege finden,
Bodo Ramelow: wie wir diese Kirchgebäude zu einem lebendigen Ort machen.
Bodo Ramelow: Und unter dem Aspekt bin ich eher neugierig, Ideen zu sammeln und Anstöße zu geben.
Bodo Ramelow: Wir haben sowas gemacht in Elrich St. Johannes.
Bodo Ramelow: Das ist mein schönstes Erlebnis am Ende meiner Amtszeit. Da haben die Türme
Bodo Ramelow: gefehlt. Die Türme sind jetzt da.
Bodo Ramelow: Die Kirche ist eine Netzwerkkirche. Die wird im Sommer auch ausgeräumt und ist
Bodo Ramelow: auch Ballsaal. Sie ist auch Ort von Versammlungen und Veranstaltungen und ein
Bodo Ramelow: kulturelles Zentrum im Ort wieder geworden.
Bodo Ramelow: Die beiden Türme stehen davor und das Ostergeläut ist nach 70 Jahren zum ersten
Bodo Ramelow: Mal wieder zu hören gewesen.
Bodo Ramelow: Und da war ich stolz drauf, dass ich da mit habe helfen können,
Bodo Ramelow: dass das Wunder von Elrich so entstanden ist.
Bodo Ramelow: Und so wünsche ich mir, dass wir auch Gebäude in den Kernen der Gemeinden öffnen
Bodo Ramelow: für soziale Begegnungen.
Nicolai Franz: Sie sprechen ja von einer Modernisierung des Staatskirchenrechts.
Nicolai Franz: Würde dazu auch Ihrer Meinung nach gehören, dass man die Kirchensteuern nicht
Nicolai Franz: mehr über den Staat einziehen lässt oder dass man von allen Religionsgemeinschaften
Nicolai Franz: das über den Staat laufen lässt?
Nicolai Franz: Von Freikirche bis zu Moscheegemeinde und Landeskirchen und so?
Bodo Ramelow: Ich habe dazu einen Vorschlag erarbeiten lassen, den haben wir als Broschüre
Bodo Ramelow: auch mal erstellt. Tatsächlich das italienische Modell.
Bodo Ramelow: Italienische Modell ist, jeder Steuerbürger ist verpflichtet,
Bodo Ramelow: eine bestimmte Steuersumme zu zahlen, aber er kann entscheiden, wo sie hinfließt.
Bodo Ramelow: Ich bin darauf gestoßen, weil ich gesehen habe,
Bodo Ramelow: also ich habe mir das angeguckt, ich war mit meiner Frau, meine Frau ist Italienerin,
Bodo Ramelow: ich war mit ihr in ihrer Heimat unterwegs und höre im Radio Werbung für irgendwelche
Bodo Ramelow: Religionsgemeinschaften. Was ist das für eine Werbung?
Nicolai Franz: Achso, so bei einem nächsten Gehaltszettel, bitte überlegen Sie sich doch mal
Nicolai Franz: hier an unsere Kirche zu spenden.
Bodo Ramelow: Und dann kam, dass die Valdenser wesentlich mehr Steuern kriegen,
Bodo Ramelow: als sie Mitglieder haben.
Nicolai Franz: Freikirche in Italien.
Bodo Ramelow: Die Valdenser in Italien sind nicht wirklich freikirchlich, sondern gehören
Bodo Ramelow: zum evangelischen Verbund, also fühlen sich auch als evangelischer Verbund zugehörig,
Bodo Ramelow: sind so eine Mischung zwischen Freikirche und evangelisch, sind im Prinzip ja
Bodo Ramelow: vor der Reformation die Reformierten.
Bodo Ramelow: Also die sind sowas von evangelisch.
Nicolai Franz: Die waren schon ein bisschen voraus.
Bodo Ramelow: Genau, die waren Luther schon voraus oder Zwingli voraus oder wem auch immer
Bodo Ramelow: von all den Reformatoren.
Bodo Ramelow: Aber die Überlegung und da schließt sich der Kreis, alle müssen davon profitieren können.
Bodo Ramelow: Das heißt, die Frage, dass ich jetzt zwei Amtskirchen gegenüber den Kirchensteuereinzug
Bodo Ramelow: weitern mache, was viele ja nicht wissen, die Kirchen müssen dafür bezahlen,
Bodo Ramelow: das ist ja auch mit Kostennote versehen und so.
Bodo Ramelow: Also es wird aber immer vermischt mit allen anderen Aufgaben,
Bodo Ramelow: die kirchliche Träger erfüllen.
Bodo Ramelow: Also ich habe da mal so ein lila Buch gelesen, da war dann alles drin.
Bodo Ramelow: Da war dann auch das Geld drin, das dann für Caritas und Diakonie aufgewendet wird.
Bodo Ramelow: Nur das sind ganz normale Träger, die Aufgaben erfüllen und für die Aufgaben auch Entgelte kriegen.
Bodo Ramelow: Das ist doch klar, das hat doch nichts mit dem Kirchensteuersystem zu tun.
Bodo Ramelow: Und das meine ich mit der Modernisierung, dass nicht immer alles in einen Topf
Bodo Ramelow: geworfen wird, sondern tatsächlich,
Bodo Ramelow: ich fände es gut, wenn wir eine andere Form des Kirchensteuerrechts schaffen
Bodo Ramelow: würden, bei dem am Ende die muslimische Gemeinde, die freikirchliche Gemeinde,
Bodo Ramelow: jedwede Form von Glaubensgemeinschaft,
Bodo Ramelow: möglicherweise auch Freidenker und andere Formen von atheistischen Organisationen,
Bodo Ramelow: die sagen, wir sind Gläubige, Nichtgläubige.
Bodo Ramelow: Wegen mir auch. Also wenn wir denn den Steuereinzug machen, muss es eine Summe
Bodo Ramelow: geben, die der Steuerzahler auch verpflichtet ist abzugeben und er entscheidet, wo es hingeht.
Nicolai Franz: Wie viel ist das?
Bodo Ramelow: In Italien sind es, glaube ich, 4 Promille. Also es ist mit uns nicht vergleichbar.
Bodo Ramelow: Also ich zahle schon richtig heftig Kirchensteuer.
Nicolai Franz: Also 0,4 Prozent wären es dann. Und dann kann man sich aussuchen, wo das dann hingeht.
Bodo Ramelow: Ich glaube es so. Ich müsste noch mal nachlesen.
Bodo Ramelow: Aber wie hoch und Ausgestaltung, das will ich gar nicht fertig definieren.
Bodo Ramelow: Das ist gar nicht mein Ansatz.
Bodo Ramelow: Mein Ansatz ist, es gibt andere Möglichkeiten.
Bodo Ramelow: Denn diese Geschichte, wie gehen wir mit dem Islam in Deutschland um?
Bodo Ramelow: Also ein Bundespräsident hat gesagt, der Islam gehört zu Deutschland,
Bodo Ramelow: dann war kein Bundespräsident mehr.
Bodo Ramelow: Aufregung war groß. Die Muslime sind immer noch da.
Bodo Ramelow: Also die Finanzierung der Muslime möchte ich eben nicht, dass wahhabitische
Bodo Ramelow: Netzwerke darüber entscheiden, wie die Gelder transferiert werden.
Bodo Ramelow: Ich möchte auch nicht, dass die türkische Religionsbehörde entscheidet,
Bodo Ramelow: wer bei uns am Freitag predigt.
Bodo Ramelow: Also da bin ich eher dafür, das in geordnetere Bahnen zu kriegen,
Bodo Ramelow: die aber für alle gleich sind.
Bodo Ramelow: Also der Anspruch muss sein, dafür sind wir Rechtsstaat, der Maßstab muss für alle gleich sein.
Nicolai Franz: Die Linke gilt ja eher so als atheistische Partei.
Nicolai Franz: Von ihrer Prägung her, sie hingegen haben noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie Christ sind.
Nicolai Franz: Sie haben sich auch mal bezeichnet als den Kieselstein im Schuh der Linkspartei,
Nicolai Franz: der sie aber auch gerne sind.
Nicolai Franz: Und meine Frage wäre jetzt, fühlen Sie sich dann wirklich so als der Kieselstein,
Nicolai Franz: der andere nervt, auch mit Ihrem Glauben?
Nicolai Franz: Oder fühlen Sie sich eigentlich ganz wohl, so als jemand, der Christ ist?
Bodo Ramelow: Na, erstmal fühle ich mich wohl, weil ich kann mir erlauben,
Bodo Ramelow: auf dem Parteitag zu enden mit, ich wünsche mir immer Gottvertrauen.
Bodo Ramelow: Nee, ich wünsche mir immer Gottvertrauen.
Bodo Ramelow: Und des Segen will ich nicht im Parteitag vertrauen. Liebe Brüder und Genossinnen und Genossen.
Bodo Ramelow: Also das ist dann, wenn ich predige und wenn ich eingeladen bin als Prediger.
Bodo Ramelow: Also es freut mich schon, dass ich in diesem Reformationsgottesdienst wieder eingespannt bin.
Bodo Ramelow: Und vor kurzem habe ich in einer reformierten Gemeinde als Bürgerprediger predigen dürfen.
Bodo Ramelow: Als ich im Semas gesprochen habe, hat mich der Chef vom Berliner Dom,
Bodo Ramelow: vom Deutschen Dom eingeladen, am 3.
Bodo Ramelow: Oktober nächsten Jahres bei ihm die Predigt zu halten.
Bodo Ramelow: Da wäre ich dann auch mit Gottes Segen unterwegs, beim Parteitag eher nicht.
Bodo Ramelow: Aber Gott vertrauen, das sage ich meinen Leuten immer wieder. Im universellen Sinn.
Nicolai Franz: Was kommt dann zurück? Augen runzeln, Stirn runzeln?
Bodo Ramelow: Gar nicht, gar nicht. Also es ist auch nicht so, dass ich jetzt der Einzige
Bodo Ramelow: wäre, der da als gebundener Christ unterwegs ist.
Bodo Ramelow: Wir haben eine AG Christinnen und Christen in der Partei.
Bodo Ramelow: Wir haben in der Fraktion einen Katholiken, wir haben eine Muslima,
Bodo Ramelow: also jedenfalls eine bekennende Muslima.
Bodo Ramelow: Da, sage ich mal, fühle ich mich weder ausgestoßen noch ausgegrenzt oder irgendwas.
Bodo Ramelow: In der PDS war es sogar noch leichter.
Bodo Ramelow: Da spielte noch das schlechte Gewissen der Alt-SED-Kader gegenüber der SED zu
Bodo Ramelow: DDR-Zeit offensichtlich noch eine Rolle.
Bodo Ramelow: Im positiven Sinne. Also tatsächlich, es beginnt ja, dass die PDS-Parteiführung
Bodo Ramelow: mit der Bitte um Entschuldigung bei den Christinnen und Christen schon 1990
Bodo Ramelow: eine erste Erklärung abgegeben hat.
Bodo Ramelow: In Erkenntnis, also sonst gäbe es auch große Schwierigkeiten mit mir und der
Bodo Ramelow: Partei, wenn ich nicht wüsste, dass es auch diese Auseinandersetzung gegeben hat.
Bodo Ramelow: Was für Schuld haben wir auf uns geladen mit dem Kampf gegen Kirche,
Bodo Ramelow: gegen Glauben, der am Ende auf dem Rücken der Gläubigen ausgetragen worden ist.
Bodo Ramelow: Der ist ja nicht gegen irgendwelche Apparate ausgetragen worden,
Bodo Ramelow: sondern das Kind in der Schule.
Bodo Ramelow: Ich kenne einen Bericht von einem Journalisten, der mir sagt,
Bodo Ramelow: als Kind hat ihn der Lehrer aufstehen lassen...
Bodo Ramelow: Und hat dann der Klasse gesagt, heute lachen wir den sowieso aus,
Bodo Ramelow: weil der Genosse Jähn ist jetzt da oben im Weltraum und der fliegt da schon
Bodo Ramelow: seit Stunden rum und er hat keinen Gott gesehen.
Bodo Ramelow: Und der kleine Christoph glaubt immer noch an diesen komischen,
Bodo Ramelow: der da oben angeblich sein soll.
Bodo Ramelow: Aber der Genosse Jähn hat festgestellt, da ist keiner. Lachen wir alle mal den Christoph aus.
Bodo Ramelow: Das finde ich bedrückend. So eine Berichte finde ich bedrückend.
Bodo Ramelow: Und das ist für mich eine aktive Form, wie die Erklärung ist,
Bodo Ramelow: warum denn die neuen Bundesländer so entkirchlicht sind.
Bodo Ramelow: Es gibt ja nur zwei europäische Länder, wo es so ist, also Teil eben Deutschland,
Bodo Ramelow: das Beitrittsgebiet und die alte Tschechoslowakei, also heute Tschechien.
Bodo Ramelow: Fast komplett entkirchlicht. Und trotzdem spüre ich die Sehnsucht nach Glauben.
Bodo Ramelow: Sei es beim Arbeitskampf in Bischofenrode, weil die Ökumene ein ganz starkes
Bodo Ramelow: Element, sei es beim Massaker in Erfurt, beim Gutenberg-Gymnasium,
Bodo Ramelow: wo abends dann die Kirchen voll waren und wochenlang voll waren.
Bodo Ramelow: Ich denke, dass auch ein Teil der heutigen politischen Bewegungen,
Bodo Ramelow: die im rechten Spektrum unterwegs sind, teilreligiöse Zügen haben.
Bodo Ramelow: Also manches von diesen Montagsdemonstrationen, wie ich sie in Gera gesehen
Bodo Ramelow: habe oder wie ich sie hier in Erfurt sehe, haben sowas wie eine Prozession.
Bodo Ramelow: Sie haben so eine Art Prozession.
Bodo Ramelow: Und die Art, wie das Mantra von immer dem gleichen Themen immer wieder durchgekaut
Bodo Ramelow: wird, kommt mir ähnlich vor.
Bodo Ramelow: Und ich habe mal zwei AfD-Umzüge gesehen zum Domplatz, also vom Landtag zum
Bodo Ramelow: Domplatz, da hatte ich schon das Gefühl,
Bodo Ramelow: es kommt mir eher wie eine Prozession, wie eine Ersatzreligion vor.
Bodo Ramelow: Da werden also Gefühle gefüllt, die in der Seele da sind, aber denen kein Angebot
Bodo Ramelow: gegeben wird und was unsere Kirchen auch nicht geschafft haben.
Bodo Ramelow: Also ich würde es mir gerne wünschen, aber ich weiß, dass es so nicht ist.
Bodo Ramelow: Also es ist die Frage, wie gehen wir damit um, wenn sowas eben auch gefüllt
Bodo Ramelow: und anders aufgeladen wird.
Nicolai Franz: Matthias Mirsch, SPD-Fraktionschef, hat bei uns im Interview vor ein paar Wochen
Nicolai Franz: einen Satz gesagt, der ziemlich für Wirbel gesorgt hat, wo sich viele Leute
Nicolai Franz: auch da zu Wort gemeldet haben.
Nicolai Franz: Und zwar hat Matthias Mirsch gesagt, Jesus ist ein Linker. Hat er recht?
Bodo Ramelow: Also den Jesus, den ich bei Sant'Egidio gesehen habe, der ist ein Obdachloser.
Nicolai Franz: Der war Obdachloser, ja.
Bodo Ramelow: Und das, was für mich Jesus ist, Jesus ist die Hoffnung.
Bodo Ramelow: Und ich weiß nicht, was ich da links oder rechts oder sonst was zuordnen soll. Ich glaube.
Bodo Ramelow: Ich finde, für mich ist Jesus Hoffnung. Und er ist der Zugang zu unserer Art,
Bodo Ramelow: wie wir unseren christlichen Glauben leben.
Bodo Ramelow: Der unterscheidet uns dann tatsächlich von dem Judentum und dem Islam,
Bodo Ramelow: weil wir glauben an Jesus als fleischgewordenen Gott, Teil des Gottes,
Bodo Ramelow: Gottes Sohn und an den Gott, der uns verbindet und den Geist.
Bodo Ramelow: Und diese Trinität ist für mich nur denkbar mit diesem Jesus und alles,
Bodo Ramelow: was er, also für mich ist an Radikalität Jesus nicht zu überbieten.
Bodo Ramelow: Die Bergpredigt, sagt man doch immer in Deutschland, mit der Bergpredigt könnte
Bodo Ramelow: man keine Politik machen.
Bodo Ramelow: Wenn das Menschen sagen, die dann aber sagen, sie seien Christen,
Bodo Ramelow: aber politische Christen, dann verstehe ich sie nicht.
Bodo Ramelow: Also ich finde, die Bergpredigt zwingt uns zum Nachdenken und sie zwingt uns in innere Konflikte.
Bodo Ramelow: Deswegen ist für mich auch die Frage, wie gehe ich mit der Waffenlieferung an
Bodo Ramelow: die Ukraine um, eine, die mich immer wieder zerreißt.
Bodo Ramelow: Ich habe aber immer gesagt, ein überfallener Staat muss sich verteidigen können.
Bodo Ramelow: Und ich sage das im Bewusstsein der Bergpredigt, weil eigentlich müsste man
Bodo Ramelow: sagen, wir dürfen gar keine Waffen liefern.
Bodo Ramelow: Aber dann darf auch der andere keine haben. Und deswegen bin ich immer dafür,
Bodo Ramelow: wenn also Frau Wagenknecht fordert, keine Waffen mehr in die Ukraine zu liefern,
Bodo Ramelow: sage ich danke, dann möge Putin mal anfangen.
Nicolai Franz: Herr Ramelow, anderthalb Stunden, vielen Dank für Ihre Zeit.
Nicolai Franz: Das war ein sehr interessantes Gespräch und vielen Dank auch für Ihre Eindrücke
Nicolai Franz: aus Israel und aus Jerusalem, aus Rom.
Nicolai Franz: Und euch danke ich fürs Zuhören bei dieser Folge von Glaube macht Politik.
Nicolai Franz: Und wir freuen uns natürlich, wenn ihr uns eine Bewertung gebt und wenn ihr
Nicolai Franz: unseren Podcast auch abonniert. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.
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